Das Buch der Schatten 2
Bibliothek. Draußen war es grau und verhangen und der Rasen vor der Bibliothek war mit gelben Ahornblättern übersät. Es war Herbst, der Winter war im Anmarsch.
Die Jahreszeiten wandelten sich ganz gemächlich, manövrierten einen sanft von einer in die andere. Doch mein Leben, mein ganzes Leben, hatte sich in einem einzigen Augenblick verändert.
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GRÜNDE
Samhain, 31. Oktober 1978
Ma und Dad sind gerade dieses – mein – Buch der Schatten durchgegangen und haben gemeint, es wäre ein armseliges Ding. Ich muss öfter schreiben; ich muss magische Sprüche ausführlicher erklären, ich muss das Wirken des Monds, der Sonne, der Gezeiten und der Sterne mehr erklären. Warum?, habe ich sie gefragt, das weiß doch jeder. Ma sagte, es sei für meine Kinder, die Hexen, die mir nachfolgen. So wie sie und Dad mir ihre Bücher gezeigt haben – sie haben jetzt schon fünf Stück, das sind die großen, dicken Bücher neben dem Kamin. Als ich klein war, dachte ich, es wären Fotoalben. Das bringt mich jetzt zum Lachen – Fotos von Hexen.
Aber meine magischen Sprüche und alles andere sind in meinem Kopf. Es ist noch Zeit, sie später aufzuschreiben. Viel Zeit. Ich möchte hauptsächlich über meine Gefühle und Gedanken schreiben. Aber andererseits will ich nicht, dass meine Familie das liest … Als sie an die Stelle kamen, wo ich Angus geküsst habe, sind sie in die Luft gegangen! Aber sie kennen Angus und sie mögen ihn. Sie sehen ihn ziemlich oft und wissen, dass ich mich für ihn entschieden habe. Angus ist gut, und wen
gäbe es denn sonst noch für mich hier? Es ist ja nicht so, als könnte ich mit jedem zusammen sein, nicht wenn ich mein Leben leben und Kinder haben will und so weiter. Zum Glück ist Angus sanft und lieb.
Hier ist ein guter magischer Spruch, damit die Liebe verblasst : Sammle bei abnehmendem Mond vier Haare von einer schwarzen Katze, einer Katze, die nirgendwo einen einzigen weißen Fleck hat. Nimm eine weiße Kerze, die getrockneten Blätter von drei roten Rosen und ein Stück Schnur. Schreib deinen Namen und den Namen desjenigen, den du loswerden möchtest, auf zwei Zettel und binde diese an die beiden Enden der Schnur.
Geh nach draußen. (Am besten funktioniert es bei Neumond oder in der Nacht vor Neumond.) Richte deinen Altar ein, reinige deinen Kreis und ruf die Göttin an. Stell deine weiße Kerze auf. Verteil die Rosenblütenblätter um die Kerze. Nimm die vier Katzenhaare und verteile sie an den vier Punkten des Kompasses: N, S, O und W. (Wenn die Nacht windig ist, beschwere sie mit Steinen.) Zünde die Kerze an und halte die Mitte der Schnur straff gespannt mit einigem Abstand über die Kerze. Sag dann:
So wie der Mond soll deine Liebe schwinden.
Ich bin ein Adler und will nicht mehr deine Taube sein. Du wirst ein anderes Gesicht auch finden, das hübscher ist als ich und immer dein.
Sag es immer wieder auf, bis die Kordel durchgebrannt ist und die beiden Namen für immer getrennt sind. Tu es nicht im Zorn, denn deine Liebe wird wirklich nicht mehr dein sein. Du musst jemanden wirklich für immer loswerden wollen.
PS: Die Katzenhaare haben keine besondere Funktion. Ich habe sie nur hinzugefügt, damit es geheimnisvoller klingt.
– Bradhadair
Als meine Eltern und Mary K. am Nachmittag nach Hause kamen, saß ich in der Küche und aß aufgewärmte Lasagne. Sie starrten mich an, als hätten sie ihr Haus betreten und wären in ihrer Küche auf einen Fremden gestoßen.
»Morgan«, sagte mein Vater und räusperte sich. Seine Augen waren rot umrandet, sein Gesicht sorgenvoll und um Jahre älter als heute Morgen. Sein dünnes schwarzes Haar war fest an den Schädel gekämmt und an den Enden zu lang. Mit seiner dicken Nickelbrille sah er aus wie eine Eule.
»Ja?«, sagte ich und wunderte mich, wie kalt und fest meine Stimme klang. Ich trank einen Schluck Cola light.
»Geht es dir gut?«
Die Frage war absolut lächerlich, aber es war typisch für meinen Vater, dass er sie stellte.
»Na, schauen wir mal«, sagte ich unterkühlt, ohne ihn anzusehen. »Ich habe gerade herausgefunden, dass ich adoptiert bin. Ich sitze hier, und mir ist gerade bewusst geworden, dass ihr beide mich mein ganzes Leben lang angelogen habt.« Ich zuckte die Achseln. »Abgesehen davon geht’s mir gut.«
Mary K. sah aus, als würde sie jeden Augenblick in Tränen ausbrechen. Nein, genau genommen sah sie aus, als hätte sie den ganzen Vormittag geweint.
»Morgan«, sagte meine Mutter. »Vielleicht war es
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