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Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition)

Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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stieg zum wiederholten Male vor meinem geistigen Auge auf. Ich ertrug den Gedanken nicht, dass Cal solche Qualen erleiden sollte.
    Hunters Miene war ernst und ruhig. » Also«, sagte er, stand auf und kramte in seinem Rucksack, » lass uns zusammen wahrsagen, jetzt und hier, und unsere Energien vereinen. Lass uns einfach schauen, was passiert.« Er nahm etwas heraus, was in purpurrote Seide eingewickelt war, und schlug diese auseinander. Darin war ein großer, dunkler, einigermaßen flacher Stein. » Das war der lueg meines Vaters«, sagte er mit ausdrucksloser Stimme. » Hast du schon mal mit einem Stein gewahrsagt?«
    Ich schüttelte den Kopf. » Nein, nur mit Feuer.«
    » Steine sind genauso verlässlich wie Feuer«, erklärte er mir und setzte sich im Schneidersitz auf den Boden. » Mit Feuer zu arbeiten ist schwieriger, aber Feuer enthält auch mehr Informationen. Komm, setz dich.«
    Ich setzte mich ihm gegenüber, und unsere Knie berührten sich, als wollten wir tàth meànma machen. Dann beugte ich mich vor und versenkte den Blick in die flache, polierte Oberfläche des Steins. Sofort überkam mich die vertraute Aufregung, einen neuen Aspekt von Wicca zu erforschen. Meine Haare fielen nach vorn und strichen über den Stein. Rasch fasste ich sie mit geübten Bewegungen im Nacken zusammen und flocht sie zu einem Zopf. Ich band das Ende nicht fest, sondern ließ ihn einfach über den Rücken hängen.
    » Kommt mir so vor, als hätten nicht mehr viele Mädchen lange Haare«, sagte Hunter geistesabwesend. » Sie haben alle kurze, gestufte…« Er deutete es mit den Händen an, weil er nicht die richtigen Worte fand, um moderne Frisuren zu beschreiben.
    » Ich weiß«, sagte ich. » Manchmal überlege ich auch, ob ich sie abschneiden lassen soll. Aber ich kann’s nicht ausstehen, so eine Frisur jeden Tag stylen zu müssen. So muss ich nicht viel überlegen.«
    » Sie sind sehr schön«, sagte Hunter. » Schneid sie nicht ab.« Dann blinzelte er und wurde ganz geschäftsmäßig, während ich wieder mal versuchte, mich in den Höhen und Tiefen unserer Interaktion zurechtzufinden. » Okay. Also, das hier ist dasselbe wie mit Feuer wahrsagen. Du öffnest dich der Welt, akzeptierst das Wissen, das das Universum dir darbietet, und versuchst, nicht zu denken, sondern einfach nur zu sein. Genau wie mit Feuer.«
    » Alles klar«, sagte ich, auch wenn ich noch nicht darüber hinweg war, dass Hunter meine Haare gefielen.
    » Gut. Wir wahrsagen jetzt nach Cal und Selene«, sagte Hunter und seine Stimme wurde weicher und leiser.
    Wir beugten uns vor, bis unsere Köpfe sich beinahe berührten, und legten unsere Hände leicht auf den lueg . Es war, als blickte man im Wald in einen schwarzen Tümpel, fand ich. Als blickte man in eine Quelle. Während meine Atemzüge sich veränderten und verlangsamten, streckte mein Bewusstsein sich behutsam in den umgebenden Raum, der lueg kam mir immer mehr vor wie ein Loch im Universum, eine Öffnung zu unbegreiflichen Wundern, Antworten, Möglichkeiten.
    Körperlich spürte ich gar nichts mehr: Ich schwebte in Zeit und Raum und existierte allein in meinen Gedanken und meiner Energie. Ich spürte Hunters Lebensenergie ganz in meiner Nähe, spürte seine Wärme, seine Gegenwart, seine Intelligenz, und ich scheute vor nichts zurück. Alles war gut.
    Auf der Oberfläche des Steins sah ich jetzt Wirbel aus grauem Nebel, wie Schäfchenwolken, und ich ließ alle Erwartungen los und schaute nur hin, um zu sehen, was aus ihnen werden würde. Dann war es, als würde ich einen Videofilm anschauen oder ein Foto: Ich sah eine Person, die auf mich zukam, als schaute ich in eine Kamera. Es war ein Mann mittleren Alters, ein gutaussehender Mann, und er wirkte sowohl überrascht, als auch beunruhigt und sehr neugierig.
    » Göttin«, murmelte Hunter und atmete plötzlich scharf und schnell. Mein Bewusstsein flammte auf.
    » Gìomanach«, sagte der Mann leise. Sein Gesicht war faltig, sein Haar grau, und er hatte braune Augen. Doch Form und Kontur seiner Kinn- und Wangenpartie erinnerten mich an Hunter.
    » Dad«, sagte Hunter mit erstickter Stimme.
    Ich keuchte auf. Hunter hatte seine Eltern seit zehn Jahren nicht mehr gesehen, und obwohl wir darüber gesprochen hatten, ob er nicht versuchen könnte, sie zu finden, hatte er, soweit ich wusste, noch nichts in dieser Richtung unternommen. Was geschah hier?
    » Gìomanach«, sagte der Mann wieder. » Du bist groß geworden. Mein Sohn…« Er wandte den Blick ab.

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