Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition)
an.
» Morgan«, sagte er und seine Stimme legte sich klebrig wie Honig über meine Nerven. Wie hatte ich seine Stimme vermisst. Ich verschloss mein Herz und starrte ihn an.
» Das letzte Mal, als wir uns gesehen haben, hast du versucht mich umzubringen«, sagte ich und bemühte mich um eine Schnoddrigkeit, die mir nicht gelingen wollte, weil ich viel zu viel Angst hatte.
» Ich habe versucht, dich zu retten«, erwiderte er ernst und kam so nah, dass ich sehen konnte, dass er kein Gespenst war, kein Geist, sondern eine reale Person– der Mensch, den ich berührt und geküsst hatte. » Glaub mir, wenn Selene dich in die Finger gekriegt hätte, wäre der Tod die weitaus bessere Alternative gewesen. Morgan, ich weiß jetzt, dass das falsch war, aber ich war verrückt vor Angst, und ich habe getan, was ich für richtig hielt. Verzeih mir.«
Ich brachte kein Wort heraus. Wie machte er das bloß? Selbst jetzt, wo ich wusste, dass ich in mein Auto springen und so schnell ich konnte davonfahren sollte, flüsterte mein Herz: Glaub ihm.
» Ich liebe dich mehr als je zuvor«, sagte Cal. » Ich bin zurückgekommen, um mit dir zusammen zu sein. Ich habe Selene gesagt, dass ich ihr nicht mehr helfe.«
» Du willst mir erzählen, du hättest dich von deiner Mutter gelöst?« Meine Stimme war schroff und rau vor Gefühlen. » Nenn mir einen guten Grund, warum ich dir glauben sollte.«
Wortlos öffnete Cal seine Jacke. Darunter trug er ein Flanellhemd, und er knöpfte die obersten drei Knöpfe auf und zog es auf, sodass ich seine Brust sehen konnte. Vor meinem inneren Auge blitzte Hunters nackter Brustkorb auf. O Gott, dachte ich in einem Anflug von Hysterie.
Da sah ich den schwarz versengten Fleck Haut direkt über Cals Herz. Ich konzentrierte meine magische Sehkraft ganz darauf, um ihn im Dunkeln deutlich zu erkennen. Er hatte die Form einer Hand.
» Das hat Selene mir angetan«, sagte Cal, und der Schmerz, an den er sich erinnerte, schwang noch in seiner Stimme mit. » Als ich ihr gesagt habe, ich würde dich ihr vorziehen.«
Göttin. Ich schluckte schwer. Und dann, ohne weiter darüber nachzudenken, was ich damit riskierte, streckte ich die Hand aus und legte sie an seine Wange. Ich musste die Wahrheit wissen.
Als ihm klar wurde, was ich da machte, riss er die Augen weit auf, doch er blieb ganz still stehen. Ich drang durch die äußere Schicht seines Bewusstseins, spürte seinen Widerstand, spürte, wie er sich Mühe gab, mich eindringen zu lassen. Zum ersten Mal kontrolliert nicht Cal unsere geistige Verschmelzung, sondern ich. Ich würde sehen, was ich sehen wollte, nicht nur, was er mir zeigen wollte.
Dann war ich drin und Cal war überall um mich herum. Ich sah mein Gesicht, aber so, wie er es sah, von einem Glühen erfüllt, das mich überirdisch schön machte. Ich war erschüttert, als ich spürte, wie sehr er mich begehrte.
Ich sah Hunter die Straße in Red Kill entlanggehen und spürte einen Ausbruch von Hass und Gewalt von Cal, der mich schockierte.
Ich sah einen steilen Hang unter mir, durchsetzt von kleinen verputzten Häusern mit roten Dächern, der sich in eine funkelnde blaue Bucht erstreckte. Eine Brise strich mir über die Wangen. In der Ferne führte eine lange Brücke von einer Landzunge zur anderen, und mir wurde klar, dass ich San Francisco sah, wo ich noch nie gewesen war. Es war schön, aber es war nicht das, was ich sehen wollte, also suchte ich weiter.
Dann sah ich Selene.
Sie blickte mich direkt an, und obwohl ich wusste, dass ich nur Cals Erinnerungen sah, musste ich den starken Impuls unterdrücken, mein Gesicht zu verbergen. Doch sie sah nicht mich an, sondern ihn, und in ihren Augen stand kalte Wut.
» Du kannst nicht gehen«, sagte sie. » Das erlaube ich nicht.«
» Ich gehe«, sagte Cal, und ich spürte seinen Widerstand und seine Angst, aber auch seine Entschlossenheit.
Selenes schönes Gesicht verzog sich zu einer wütenden Fratze. » Du Idiot«, sagte sie. Dann schoss ihre Hand wie eine Schlange auf ihn zu– so schnell, dass ich es nur als verschwommene Bewegung wahrnahm–, und ich spürte einen brennenden Schmerz, als sie Cals Brust berührte. Ihre Hand war tödlich kalt, als wäre sie aus flüssigem Stickstoff, doch dann stieg vor meinen Augen ein Rauchfaden auf und ich roch verbranntes Fleisch. Ich zuckte zusammen und keuchte auf, wand und krümmte mich zusammen mit Cal, der den quälenden Schmerzen zu entkommen suchte.
Dann nahm sie ihre Hand fort, und es war, bis auf
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