Das Buch der Schatten - Böse Mächte: Band 6 (German Edition)
treten«, erklärte Alyce. » Sie schaut, wo du magisch stehst. Versucht vielleicht sogar, dich aus großer Ferne zu kontrollieren.«
» Aber jetzt ist sie weg, oder?«, fragte Hunter. Als ich nickte, fuhr er fort: » Wie war es? Wie geht es euch beiden?«
Ich sah Alyce’ an und zog im Geiste Bilanz. » Ähm, ich fühle mich komisch«, sagte ich und fiel in Ohnmacht.
13
Verkohlt
12. November 1980
Ein neuer Tag, ein neuer Streit mit Daniel. Seine anhaltende Feindseligkeit ist ermüdend. Er hasst Amyranth und alles, was damit zusammenhängt, dabei kennt er natürlich nur einen winzigen Teil davon. Wenn er auch nur annähernd die ganze Geschichte kennen würde, würde er mich für immer verlassen. Und das ist vollkommen inakzeptabel. Seit dem Tag, da wir uns zum ersten Mal begegnet sind, versuche ich, mit diesem Dilemma klarzukommen, und ich habe immer noch keine Lösung. Er weigert sich, die Schönheit dessen zu sehen, wofür Amyranth steht. Und ich weigere mich gegen seine Versuche, mir die Schönheit des tugendhaften Gelehrtentums zu zeigen und wie man Heiltränke aus Knoblauch und Ingwer kocht, um Husten zu kurieren.
Warum kann ich ihn nicht loslassen? Noch nie hatte ein Mann so viel Einfluss auf mich, nicht einmal Patrick. Ich möchte Daniel aufgeben, ich habe es versucht, doch kaum gelingt es mir, ihn fortzuwünschen, sehne ich mich auch schon wieder verzweifelt danach, dass er zurückkehrt. Ich liebe ihn und ich will ihn. Die Ironie dieser Situation entgeht mir nicht. Wenn wir freundlich zueinander sind, sind wir wirklich richtig gut und empfinden beide eine Freude, eine Ganzheit, die nicht zu leugnen ist und die ihresgleichen sucht. Doch in letzter Zeit scheint es, als würden die guten Zeiten immer seltener– wir haben richtig unversöhnliche Auseinandersetzungen.
Wenn ich Daniels Willen mittels Magie meinem eigenen Willen unterwerfe, wie sehr würde ich ihn dann herabsetzen? Und wie sehr mich?
– SB
Als ich am Montagmorgen wach wurde, fühlte ich mich schrecklich. Ich erinnerte mich vage daran, dass Hunter mich in meinem Auto heimgefahren hatte und Sky uns in ihrem Wagen gefolgt war. Er hatte mir auf der Veranda vor dem Haus ein paar Worte ins Ohr geflüstert, und ich hatte es geschafft, hineinzugehen und mit meinen Eltern zu reden und einen halbwegs normalen Eindruck auf sie zu machen, bevor ich die Treppe hochstolperte und mich, ohne mich auszuziehen, aufs Bett warf. Wie war ich eigentlich aus der Robe in meine Kleider gekommen? Ähm, darüber würde ich später nachdenken.
» Morgan?« Mary K. steckte den Kopf durch die Tür unseres gemeinsamen Bads zu mir herein. » Geht’s dir gut? Es ist schon kurz vor zehn.«
» Mhm«, murmelte ich. Dagda, mein graues Katerchen, tappte hinter ihr ins Zimmer und sprang auf meine Bettdecke. Er war in wenigen Wochen unglaublich gewachsen. Schnurrend stapfte er über die Decke auf mich zu, und ich drückte ihm einen Kuss auf seinen kleinen dreieckigen Kopf und kraulte ihm die Ohren. Müde ließ er sich plumpsen und schloss die Augen. Ich wusste genau, wie er sich fühlte.
Ich wusste auch ziemlich genau, wie Mary K. sich fühlte. Ich schlug die Augen wieder auf und sah meine Schwester an, die sich im Spiegel betrachtete. Ich spürte ihre Gefühle auch genauer und schneller als nur mit schwesterlicher Intuition. Mary K. war traurig und irgendwie verloren. Ich runzelte die Stirn und überlegte, wie ich ihr helfen konnte. Dann drehte sie sich zu mir um. » Ich glaube, ich gehe mal rüber zu Jaycee. Vielleicht können wir ihre Schwester überreden, uns zum Einkaufszentrum zu fahren. Ich habe noch nicht alle Weihnachtsgeschenke zusammen.«
» Ich würde dich ja hinbringen«, sagte ich, » aber ich glaube nicht, dass ich aufstehen kann.«
» Brütest du was aus?«, fragte sie.
» Nicht ganz, aber… Wahrscheinlich nur eine Erkältung.« Ich schniefte versuchsweise.
» Soll ich dir was hochbringen, bevor ich gehe?«
Ich überlegte, ob ich etwas essen wollte, doch mein Magen krampfte. » Haben wir Gingerale im Haus?«
» Ja. Willst du welches?«
» Gern.«
Zum Glück kam mir die Limonade nicht wieder hoch. Mir war nicht mehr richtig übel, aber ich fühlte mich ausgelaugt und benommen. Auch andere Nachwirkungen des brach waren offensichtlich. Ich fühlte mich so ähnlich wie damals nach meinem ersten Kreisritual mit Cal und Cirrus, doch sicher zehn Mal stärker. Meine Sinneswahrnehmungen waren noch viel klarer als damals: Ich konnte die einzelnen Fäden
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