Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
sich keiner etwas. Viele nahmen es gar nicht für wahr, daß dies das Ende ihrer Schulzeit bedeutete.
„Hiermit ist die Versammlung für beendet erklärt“ setzte Mr. Larsen hinzu. Fragend blickten sich die Schüler gegenseitig an. Keiner wußte so recht, wie er sich nun verhalten sollte. Jeder wartete darauf, daß ein anderer den Anfang machen würde.
„Wenn ihr noch irgendwelche Fragen habt, dann habt ihr nun die Möglichkeit, sie zu stellen“, sagte Mr. Larsen nach längerer Zeit, als sich niemand von seinem Platz erhob. Wieder vergingen einige Minuten der Schweigsamkeit. Unruhig sah Mr. Larsen auf seine Kollegen. Mr. Gann, Physiklehrer von kleiner schmächtiger Statur, kam seinem Kollegen zu Hilfe.
Durch ein lautes Husten machte er auf sich aufmerksam.
„Viele Dinge in unserem Leben geschehen, die wir einfach nicht begreifen können“, sprach er mit lauter deutlicher Stimme. „Vieles habe ich euch beibringen können. Vieles haben die meisten von euch verstanden. Nun ist etwas eingetroffen, das selbst wir nicht verstehen können. Versucht doch einfach ein wenig Verständnis für unser Unverständnis aufzubringen. Ihr werdet sehen, daß es euch in dieser Situation sehr nützlich sein wird. Seht die bevorstehenden Tage einfach als vom Unterricht befreite Tage. Sobald es uns für möglich erscheint, wird der Unterricht selbstverständlich fortgesetzt. Was wir im Klartext damit sagen wollen ist, geht nun in eure Zimmer, packt eure Sachen zusammen und wartet, bis ihr von euren Eltern abgeholt werdet.“ Das half. Stimmen machten sich bemerkbar. Gleichzeitig standen mehrere der Älteren auf. Kurze Zeit später drängten sich die Schüler zum Speisesaal hinaus. Unter ihnen Dumpkin mit seinen Freunden. Es gelang ihm nicht, in die Nähe von Melanie zu gelangen. Als sie das Freie betraten, hatte er sie aus den Augen verloren. Ohne ein Wort miteinander zu sprechen, begaben sie sich auf direktem Weg in Dumpkins Zimmer.
Showy war der erste, der zu reden begann.
„Gott sei Dank“, atmete er auf. „Bloß weg von diesem Ort. Hier sieht mich keiner mehr, das kann ich euch versprechen.“
„Ich kann es gar nicht glauben“, sagte Ellinoy, nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Schwester Maria – tot.“
„Und Pater Richmon, Mann“, entgegnete Dumpkin. „Wir haben ihn doch gesehen. Der hat doch vorhin mit uns gesprochen. Ich kapier nichts mehr.“ Verständnislos musterte er Ellinoy. Dieser nagte nervös auf seiner Unterlippe herum.
„Das Buch“, erwiderte Ellinoy. „Ich glaube nicht, daß wir es wiedersehen. Rotschopf ist auch verschwunden. Bestimmt hat er sich schon über alle Berge gemacht.“
„Diese Mistsau“, zischte Dumpkin zurück. „Ich glaub auch, daß es das beste ist, wenn wir für immer von hier verschwinden. Eigentlich möchte ich noch etwas erleben. Versteht ihr?“ Mit grimmigem Blick sah er durch die Runde.
„Hab auch keinen Bock darauf, noch mehr zu verlieren“, erwiderte Champy. Demonstrativ hob er seine verletzte Hand empor. Ein Schauder überfiel ihn, als er an jene Nacht denken mußte.
„Hoffentlich kommen meine Eltern bald“, murmelte Showy. „Noch mal so eine Nacht, und ich drehe durch.“
„Wir dürfen uns nicht verlieren“, meinte darauf Dumpkin. „Irgendwie sollten wir in Verbindung bleiben.“
„Am besten ist, wenn wir uns regelmäßig schreiben“, schlug Ellinoy darauf vor. „Vielleicht können wir uns ja auch mal gegenseitig besuchen.“
„Da bin ich auch dafür“, stimmte Champy sofort zu. „Oder, was meint ihr dazu?“ Fragend sah er zwischen Dumpkin und Showy hin und her.
„Na klar“, sagte Dumpkin. „Bei uns zu Hause hat es genügend Platz.“ Dumpkin blickte jedem kurz in die Augen. „Machen wir es zum Gesetz“, sprach er leise. „Schwören wir darauf. Schwören wir auf unsere Freundschaft, daß sie niemals auseinandergehen wird. Und wenn wir noch so weit voneinander entfernt sind. Niemals darf unsere Freundschaft brechen.“ Zum Schwur erhob er seine linke Hand, zwei Finger gespreizt. Die rechte Hand streckte er flach seinen Freunden entgegen. Ohne zu zögern legten sie nacheinander ihre Hände darauf, so daß alle miteinander verbunden waren. Feierlich blickten sie sich gegenseitig an.
„Für ewige Zeiten“, flüsterte Dumpkin. Leise sprachen sie ihm nach. „Immer werden wir miteinander verbunden bleiben. Regelmäßig werden wir uns gegenseitig schreiben. Nichts kann unsere Freundschaft zerstören. Immer und überall
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