Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
werden wir uns zur Hilfe kommen, sollte einer von uns in Gefahr gelangen. Ein Anruf, ein Telegramm oder was sonst auch für ein Zeichen es ist, sofort werden wir aufbrechen, um ihn nach unserem Besten zu helfen. Gemeint sind wir, die Unzertrennbaren . Ellinoy, Champy, Showy und ich, Dumpkin. Machen wir es zu unserem Gesetz. Unser Gesetz!“
Eine seltsame Stimmung verbreitete sich in dem kleinen Zimmer. Für jeden war es ernst. Jeder schwor, auch innerlich mit sich selbst, niemals dieses Gesetz zu brechen.
Stimmen wurden laut auf dem Flur. Plötzlich öffnete jemand von draußen die Tür. Gleichzeitig vernahmen sie Glockengeläute. Wild und stürmisch, wie sie es in ihrem Lager vernommen hatten. Mr. Gann, der Physiklehrer, stand ihnen gegenüber.
„Von vielen wurde der Wunsch geäußert, noch ein letztes Mal in der Kirche zusammenzukommen“, sagte er kurz angebunden. „Ich bitte euch, mir zu folgen.“ Er drehte sich um und schritt ihnen voran. Verblüfft sahen sich die Freunde gegenseitig in die Augen.
„Wir halten zusammen“, raunte Dumpkin ihnen entgegen. Mehr sagte er nicht. Sie waren die letzten, die das Gotteshaus betraten. Ein seltsames Gefühl, von dem sie auf einmal ergriffen wurden. Ein Gefühl, als würden sie beobachtet. Als lasteten irgendwelche Augen auf ihnen, die nur darauf warteten, sie zu verschlingen.
Sämtliche Schüler hatten sich schon angesammelt. Über Dumpkins Gesicht flog ein Freudenstrahl. Melanie. Wieder trennte sie nur der Gang voneinander. Die Glocken wurden leiser, noch leiser, bis sie gänzlich verstummten. Dies wäre der Zeitpunkt für Pater Richmons Erscheinen gewesen. Doch so sehr die Unzertrennbaren auch darauf hofften, niemand betrat den Bereich des Altares. Minuten des Schweigens, der Andacht verstrichen. Dumpkin blinzelte immer wieder zu Melanie hinüber. Regungslos saß sie da, ihre Hände zum Gebet zusammengefaltet.
Ellinoys Blicke hafteten auf dem Altar. Er war zugedeckt. Von der geheimen Öffnung konnte nichts gesehen werden. Langsam wanderten seine Blicke hinüber auf den Zugang des Glockenturmes. Dann auf das Gemälde. Jedoch war er zu weit entfernt, um etwas Detailliertes erkennen zu können. Eigentümlich, diese Minuten. Sie kamen sich verloren vor. Alle kamen sie sich ohne Pater Richmon verloren vor. Wie eine Herde Schafe ohne Hirte. Irgendwo ein Wolf. Ein hungriger Wolf, der nur noch darauf wartete, sich ein Lamm aus der Mitte der Herde zu holen. Leise Musik ertönte. Jemand bediente die Orgel. Sanfte Klänge erfüllten die Kathedrale. Ellinoy entging es nicht, wie sich die Köpfe der Lehrer erschrocken in die Richtung der Orgelpfeifen drehte. Sie wußten ja, daß eigentlich niemand dahinter sitzen durften. Gleichzeitig raunten sie sich gegenseitig einen Namen zu. Rouven, konnte Ellinoy von ihren Lippen lesen.
Die Töne blieben gleichbleibend. Weder wurden sie lauter, noch wurden sie schneller. Auf einmal hallte eine Stimme, die sich an den mächtigen Außenwänden widerbrach. Rouvens Stimme. Im Hintergrund leise Orgeltöne.
„Selbst hat sich der Engel in den tiefen Abgrund des Bösen begeben“, sprach er laut und deutlich. Ein unruhiges Murmeln ging durch die Reihen, das sich jedoch sofort wieder legte. „Selbst ist er böse geworden. Selbst hat er die Niederschrift des letzten Propheten an sich reißen wollen. Nun ist sein Sein gebrochen. Die Niederschrift des Propheten ist in rechte Hand geraten. Jedoch um Momente zu spät. Zu weit konnte sich das Böse schon verbreiten. In zu viele Gesichter hat es schon geblickt. Nun werden die Dinge ihren Lauf nehmen. Das Ende ist nun nicht mehr zu umgehen. Gottes Licht wird gewandelt werden in tiefe finstere Schatten. Die Schatten des Bösen, die sich unser nehmen werden. Gottes Urteil ist längst gefällt. Er hat sich abgewendet von uns. Verstoßen aus seinem Herzen sind wir nun unserem eigenen Schicksal entgegengestellt. Das Schicksal ist böse. Langsam wird es sich ankündigen, sich über uns legen. Nur wer sich rein hält von diesem Antlitz, nur jene können erleben die Gerechtigkeit Gottes. Nur jene. Haltet Ausschau auf die Zeichen des Bösen. Haltet Ausschau und hütet euch davor. Und bedenket, dieses Leben, es sind nur geringe Augenblicke der Ewigkeit. Auch eure Kinder laufen Gefahr, von dem Bösen ergriffen zu werden. Sie werden die ersten sein, die sich das Böse an sich reißen wird von jenen, die sein Antlitz erblickt haben. Listig wird es euch gegenübertreten. Listig wird es eure Kinder auf euch
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