Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
geworden, wobei er etwas über ein Meter achtzig maß. Eduard hatte sich der Schriftstellerei verschrieben. Mit siebenundzwanzig brachte er sein erstes Werk heraus, das prompt unter den ersten zehn Bestsellern einen Platz einnahm. Von da an ging es Schlag auf Schlag bei ihm. Inzwischen war er wohl einer der bekanntesten Schriftsteller des Horrors und der mystischen Literatur geworden. Auch wurden schon einige Bücher von ihm verfilmt. Allerdings schrieb Eduard unter Pseudonym. Nur wenige wissen, wer er wirklich ist.
„Hallo, Ellinoy“, erwiderte Cloud den Gruß. Eduard schloß, ohne seine Blicke von Cloud lassend, hinter sich die Tür. Er versuchte gelassen zu erscheinen, doch Cloud erkannte, daß Eduard innerlich bebte. Erst als er seinem Freund entgegenkam, bemerkte er Meni, die vor dem Waschbecken stehengeblieben war. Sofort wandte Eduard sich ihr zu.
„Hallo Melanie“, sprach er sie an. Zum Gruß reichte er ihr die Hand. „Meinen Glückwunsch zu eurem Baby“, setzte er hinzu. Meni sagte nichts. Eduards Erscheinung war ihr unheimlich. Der Raum war plötzlich erfüllt von unausgesprochenen Worten, die sich die beiden Freunde sagen wollten. Meni kam sich auf einmal störend vor. Nicht, daß sie etwas gegen Eduard hatte, aber die Umstände waren es, die ihn hierher führten. Umstände aus der Vergangenheit, die sich tief in das Innere der Freunde gefressen hatten. Auch in das Innere ihres geliebten Mannes. Nun kam sie zurück, diese Vergangenheit. Sie kam zurück, einfach zurück. Meni mußte an jene Minuten denken, in der Kirche, in denen sie den Worten Rouvens gelauscht hatten. Damals wußte sie nichts von den Gegebenheiten, von diesen Umständen, die zu all dem führten. Erst seit Cloud ihr es erzählt hatte, konnte sie sich einiges zusammenreimen. Wenn es ihr auch schwerfiel, Glauben dafür zu schenken. Aber da waren die Worte Rouvens längst schon in Vergessenheit geraten. Nie hatte sie auch danach gefragt. Meni wollte es mit der Vergangenheit belassen, und nicht alte Wunden aufreißen.
Cloud legte vorsichtig Janina in das Krankenbett. Als Eduard sich ihm zudrehte, streckte er ihm seine offene Handfläche entgegen. Wie zu jener Zeit, als sie sich gegenseitig Freundschaft geschworen hatten, schlug zuerst Eduard, dann Cloud in die dargebotene Handfläche ein.
„Was ist mit Showy?“ war Clouds erste Frage.
„Ihn habe ich ebensowenig erreichen können wie dich“, erwiderte Eduard. Er blickte über Cloud hinweg auf Janina, die eben von Larsen sanft gestreichelt wurde.
„Hätte ich dir damals nicht zugetraut“, bemerkte Eduard darauf. In seiner Stimme lag etwas Gebrochenes, als würde er sich an Schlimmes zurückerinnern.
„Mein Sohn Larsen“, stellte Cloud vor. „Und meine Tochter Janina. Wie geht es deiner Frau und deinen Kindern?“
„Reden wir später darüber“, wich Eduard aus. „Ich habe dir vieles zu sagen.“
Meni trat an das Bett und nahm ihr Baby zu sich.
„Ich gehe schon einmal vor in die Empfangshalle“, sagte sie zu Cloud.
„Wir kommen gleich mit“, entgegnete er und griff nach dem Koffer, der schon zusammengepackt neben dem Kleiderschrank stand. Als Larsen an Eduard vorbei wollte, um die Tür zu öffnen, hielt dieser ihn mit leichtem Griff fest. Larsen blickte Eduard mit großen Augen an.
„Du bist ein lieber Junge, Larsen“, sprach Eduard zu ihm. Mehr sagte er nicht. Er ließ Larsen wieder los, worauf der Kleine sein Vorhaben, die Tür zu öffnen, fortsetzte.
Nach einigen Formalitäten in der Rezeption verließen sie gemeinsam das Krankenhaus. Cloud staunte nicht wenig, als Eduard in einen metallicschwarzen Rangerover einstieg. Für einige Augenblicke musterte er den Wagen, wobei der tiefe Kratzer, der sich quer über die Motorhaube zog, nicht zu übersehen war. Er selbst fuhr nur einen etwas besseren Mittelklassewagen, wobei ihm seine Firma schon nahegelegt hatte, sich ein größeres Auto, wegen der Repräsentation den Kunden gegenüber, zuzulegen.
Cloud schlängelte sich geschickt durch den dichten Stadtverkehr. Nun war es Eduard, der sich ein anerkennendes Pfeifen nicht verwehren konnte, als sie vor der kleinen Villa ausstiegen.
Meni eilte sofort dem Eingang entgegen. Larsen folgte seiner Mutter. Der kalte Novemberwind trieb ihn ins Haus. Cloud blieb mit Eduard vor seinem Anwesen stehen.
„Du hast mir gar nichts davon geschrieben“, machte Eduard ihm einen kleinen Vorwurf.
„Ich – hatte noch nicht die Gelegenheit dazu gehabt“, versuchte Cloud sich zu
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