Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
rechtfertigen. „Möchtest du, daß ich dich durch den Garten führe?“
„Der Wind macht mir nichts aus“, entgegnete Eduard.
„So können wir uns am ungestörtesten unterhalten“, meinte darauf Cloud, der diese Gelegenheit nutzen wollte, um nach etwaigen Spuren zu suchen. Langsam begaben sie sich an der Hauswand vorbei auf die Rasenfläche zu.
„Was ist geschehen?“ eröffnete Eduard als erster das Gespräch. Cloud griff in seine Manteltasche und zog das Blatt Papier heraus, auf dem Larsen gemalt hatte. Seine Hand zitterte ein wenig, als er es seinem Freund wortlos entgegenreichte. Eduards Stirn legte sich in Falten.
„Dein Sohn?“ fragte er nur.
„Heute morgen“, erwiderte Cloud.
Eduard blieb stehen. Nachdem er das Bild betrachtet hatte, blickte er Cloud direkt in die Augen. „Es ist sehr lange her, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben“, sagte er. „Du hattest gerade angefangen zu studieren.“
„Ich habe gehofft, es wäre endlich vorüber“, entgegnete Cloud. „Es war ungefähr diese Zeit, in der wir das letzte Mal davon – geträumt hatten.“
„Es war dieselbe Zeit, in der wir das letzte Mal von Champy gehört hatten.“ Eduard faltete das Blatt zusammen und gab es Cloud zurück. „Nur wir drei schreiben uns noch regelmäßig“, sprach er weiter. „Letzten Monat erst habe ich von Showy einen Brief bekommen. Er schrieb mir, die Frau seines Lebens gefunden zu haben.“
Cloud mußte ein wenig grinsen, wenn er sich Showy mit einer Frau vorstellte. „Die letzte Zeit war ich schwer zu erreichen“, sagte er darauf und steckte das Blatt in seine Tasche zurück. „Habe viel ihm Ausland zu tun. Meni mußte gestern ins Krankenhaus, die Wehen hatten eingesetzt. Diese Nacht war ich mit Larsen allein im Haus. Nachdem ich ihn ins Bett gebracht hatte, schlief ich auf dem Sofa ein, wachte aber immer wieder auf. Plötzlich, ich weiß nicht mehr warum, schreckte ich auf. Mir war, als hätte ich eine Gestalt gesehen, draußen, direkt am Fenster. Sie beobachtete mich. Bin mir aber nicht sicher, ob es nun ein Traum war oder nicht. Danach ging ich ins Bett. Es war drei Uhr, als Larsen mich durch Schreie aufweckte. Vor irgend etwas hatte er furchtbare Angst. Ich nahm ihn dann zu mir ins Bett. Ich fragte ihn, was er geträumt hatte, aber er wollte es mir nicht sagen. Heute morgen hat er dann das gemalt.“
Eduard senkte seinen Kopf. Längere Zeit blickte er zu Boden.
„Du hast mich nach meiner Frau und meinen Kindern gefragt“, sagte er nach einer Weile, ohne jedoch aufzublicken. „Kannst du dich noch an das Tonbandgespräch von diesem Rouven Blandow erinnern?“
„An jedes Wort“, erwiderte Cloud. Nicht eine Sekunde ließ er seinen Blick von seinem Freund.
Abrupt erhob Eduard seinen Kopf. Feuchtes schimmerte in seinen Augen. „Auch eure Kinder laufen Gefahr, von dem Bösen ergriffen zu werden“, zitierte er die Worte Rouvens. „Sie werden die ersten sein, die das Böse an sich reißen wird von jenen, die sein Antlitz erblickt haben.“
Cloud war der Schreck in seinem Gesicht abzulesen. Entsetzt wich er einen Schritt zurück.
„Deine – Kinder?“ stammelte er.
Eduard nickte. „Sie sind da, die ersten Anzeichen. Bei Tommy hat es zuerst angefangen. Jetzt auch Marc. Für Caroline sind es einfach nur Launen der Kinder.“
„Wie – lange schon?“ Cloud versuchte ruhig zu bleiben, was ihm aber nur schwer gelang.
„Seit einigen Wochen“, kam es nur gebrochen aus Eduard hervor. „Sie, sie sind nicht mehr die, die sie einmal gewesen sind. Sie sind böse, Dumpkin. Mit jedem Tag mehr. Manchmal denke ich sogar, Angst vor meinen eigenen Kindern haben zu müssen. Verstehst du? Angst vor den eigenen Kindern.“
„Was – machen sie?“ Cloud schien es die Kehle zuzuschnüren, wenn er daran dachte, daß ihm dasselbe bevorstehen könnte.
„Hast du den Kratzer auf meinem Wagen bemerkt?“ fragte Eduard. Mit einer schnellen Bewegung wischte er sich das Feuchte aus den Augen. Cloud nickte nur.
„Sie sind es gewesen“, hauchte Eduard. „Nur ein Beispiel, Dumpkin. Nur ein Beispiel. Ich warte nur darauf, bis sie mir eines Tages die Bremsleitungen durchschneiden.“ Eduard atmete mehrmals tief durch. „Aber so weit werde ich es nicht kommen lassen, Dumpkin. So weit nicht!“
„Was willst du unternehmen“, erschauderte es Cloud. „Was?“
Eduards Augenbrauen zogen sich zusammen. Sein Blick war plötzlich wie erstarrt. Haß funkelte in seinen Augen. „Wir müssen das tun, was
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