Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
er die Stufen zu dem Pub hinabsteigen, da vernahm er ein Geräusch hinter sich.
„McLean“, flüsterte jemand seinen Namen. „Jancy McLean.“
Verwundert drehte er sich um. Niemand war zu sehen.
„Hier, McLean“, hörte er etwas weiter von sich entfernt. „Ich bin hier.“
„Wer ist da?“ rief McLean in die Dunkelheit.
„Du wirst es schon sehen, McLean“, kam es als Antwort.
„So nicht!“ erwiderte er, wandte sich dem Eingang zu und wollte eintreten. Im selben Moment drang ein klirrendes Geräusch an sein Ohr. Sein erster Gedanke galt seinem Cadillac. Blitzschnell sprang er die Stufen wieder hinauf. Entsetzt starrte er auf die Windschutzscheibe von seinem Auto.
„Du gottverdammte Mistsau“, schrie er aus vollem Hals. „Zeig dich, du Drecksack. Zeig dich, damit ich dir den Schuh in die Fresse treten kann!“
Wieder ein ohrenbetäubendes Klirren. Diesmal war es die Heckscheibe. Wie aus heiterem Himmel zersprang sie vor seinen Augen.
„Ich bin hier, McLean“, flüsterte es ihm entgegen. McLean zögerte nicht lange. Wutentbrannt stürzte er in die Richtung, aus der er die Stimme zu hören vermeinte.
Schon beim ersten Mal, als die Frontscheibe zerschlagen wurde, gingen einige Lichter in den naheliegenden Häusern an. Beim zweiten Bruch blickten einige zum Fenster hinaus, verschwanden aber sofort wieder, nachdem sie sich ein Bild von dem Geschehen gemacht hatten. Sie waren es gewohnt, daß vor dem Pub des öfteren eine Schlägerei zugange war. Viele Male schon wollten sie eine Schließung von der Kneipe bewirken, jedoch ohne Erfolg. McLean war demnach allein seinem Gegner ausgesetzt. Mit ausgreifenden Schritten rannte er auf die Kirchenmauer zu.
„Hier, McLean“, rief die fremde Stimme. „Hier drüben.“
McLean hetzte an der Kirchenmauer entlang bis hin zum Einlaß des heiligen Geländes. Keuchend blieb er davor stehen. Angestrengt horchte er in die Finsternis vor sich.
In diesem Moment begaben sich zwei Personen auf McLeans Cadillac zu. Als sie die eingeschlagenen Scheiben bemerkten, blieben sie erschrocken stehen.
„Jancy“, rief einer der beiden vorsichtig. McLean konnte es nicht hören.
„Jancy!“ wiederholte er sich, nun etwas lauter. McLean drehte sich um. „Bist du hier, Jancy?“ vernahm er deutlich das Rufen.
„Hone“, entfuhr es McLean. Er setzte an, um den Namen lauter zu rufen. Im gleichen Augenblick spürte er etwas Seltsames an sich. Erschrocken fuhr er herum. Nicht weit von ihm entfernt stand jemand. Undeutlich konnte er die Umrisse im Dunkeln erkennen. Plötzlich wurde er gepackt. McLean wußte nicht, wie ihm geschah. Die Gestalt vor ihm hatte sich keinen Millimeter gerührt, doch fühlte er es förmlich, daß die Gewalt von diesem Unbekannten herrührte. Ohne daß er berührt wurde, hob es ihn empor. In Sekundenschnelle schleuderte es ihn durch den Einlaß. McLean wurde schwarz vor Augen. Kurz darauf verlor er die Besinnung.
*
Rätselhafte Leiche
Washington – Am gestrigen Morgen machte der Geistliche von Mountain-City, einer Zweitausendseelenstadt, eine abscheuliche Entdeckung. Nicht unweit vom Einlaß des Kirchengeländes entfernt fand er eine auf die übelste Art zugerichtete Leiche. Laut dem ersten Obduktionsbericht ist einem erwachsenenen Menschen, wahrscheinlich bei lebendigem Leib, die Haut bis auf das Fleisch abgezogen, und seine Augen herausgerissen worden. Bisher konnte die Leiche nicht identifiziert werden. Auch wurde noch kein Bürger von Mountain-City für vermißt gemeldet.
Der Tat voraus mußte ein Streit vor dem Pub Mountincar gegangen sein, da dies von mehreren Bewohnern der umliegenden Häuser beobachtet wurde. Ein Cadillac, dem die Front- und Heckscheibe eingeschlagen wurde, war der Anlaß der Bewohner zur Neugierde. Jedoch konnten sie sich an keinen der Beteiligten erinnern. Auch behauptet der Besitzer dieses Cadillacs, ihm sei das Fahrzeug in jener Nacht entwendet worden. Er hat ein stichfestes Alibi, so daß er als Täter nicht in Frage kommt.
Sheriff Wilson, das rechtliche Oberhaupt von Mountain-City, hegt Vermutungen an okkultistische Hintergründe. Die Bürger von Mountain-City sind gebeten worden, so lange nachts in ihren Häusern zu bleiben, bis die Tat aufgeklärt worden ist.
„Verdammt!“ fluchte Jean Hensen. Wütend schleuderte er die Zeitung gegen die Wand. „Verdammt, verdammt, verdammt!“
Mit einem Ruck stand er vom Stuhl auf, so daß dieser polternd zu Boden fiel. Die Frau, die ihm gegenüber saß, starrte ihn
Weitere Kostenlose Bücher