Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
Geliebten. Erst jetzt, in diesen Minuten wurden ihr bewußt, wie sehr sie an ihm hängt, ihn braucht. Soll das nun alles vorüber sein? Auf einmal, plötzlich, ohne Vorwarnung, ohne daß irgend etwas zwischen ihnen geschehen ist? Bestimmt kommt er gleich wieder zurück, legt seine Arme um sie und sagt – Hallo Kleines . Wie er es immer zu tun pflegt, wenn sie einmal eine Meinungsverschiedenheit gehabt hatten.
Ein Schuß zerriß die drückende Stille. Petty schreckte hoch. Entsetzt stürzte sie aus dem Zimmer. Der Schuß kam aus dem Nebenraum. Jeans Arbeitszimmer. Nur vorsichtig getraute sie die Tür von sich zu drücken. Stück für Stück. Ihre Hände zitterten. Alles an ihr begann zu zittern. Petty schrie, starrte auf den Schreibtisch und schrie. Vornübergebeugt saß Jean auf dem Stuhl. Blut floß aus einer kleinen Wunde an der Schläfe. In der einen Hand hielt er einen Revolver, die andere Hand berührte einen Stift. Einem Zusammenbruch nahe wankte Petty auf den Schreibtisch zu. Zwei Dreiecke, zwei ineinandergreifende Dreiecke, das Siegel Salomon, war auf den Tisch gemalt. Petty brach ohnmächtig zusammen.
*
„Mountain-City, hier ist es“, sagte Cloud zu seinem Freund, als sie an dem Ortsschild vorbeifuhren. Mehrere Stunden schon waren sie unterwegs. Mehrere Stunden, in denen sie fast kein Wort miteinander gesprochen hatten. Auch sie hatten am Morgen den Bericht in der Tageszeitung gelesen, worauf sie sich sofort auf den Weg nach Mountain-City machten. Nur wenige Kilometer von dem Internat entfernt, das ihr nächstes Ziel sein sollte.
„Mountincar“, erwiderte Eduard. „So schwer dürfte es ja nicht zu finden sein.“
„Sehr groß ist es ja nicht“, meinte Cloud darauf. Nervös rieb er auf seiner Narbe entlang. „Am besten, wir fangen bei der Kirche an. Vielleicht ist noch irgend etwas zu sehen.“
Eduard nickte. Von weitem schon sahen sie die Kirchturmspitze über die Dächer von Mountain-City hinausragen. Eduard steuerte seinen Rangerover direkt darauf zu. Mit mißtrauischen Blicken beobachteten die Bewohner den fremden Wagen, der in der Nähe der Kirche zum Stehen gebracht wurde. Gleichzeitig verließen Cloud und Eduard das Fahrzeug.
„Da ist das Pub Mountincar“, fiel Eduard sofort ins Auge.
„Das Kirchengelände ist abgeriegelt“, erwiderte Cloud. Enttäuscht musterte er die weitgehende Absperrung, die um den Einlaß des Kirchengeländes angebracht wurde. Vom Inneren des Geländes drangen laute Stimmen zu ihnen hinüber. Polizeiarbeiten waren gerade im höchsten Gange.
„Dann gehen wir in das Pub“, entschied Eduard. „Vielleicht kann uns der Wirt einiges erzählen.“
Hintereinander stiegen sie die wenigen Stufen zu dem Pub hinunter. Dicke, verrauchte Luft, die ihnen für einen Moment den Atem raubte. Stimmen drangen ihnen entgegen. Eduard schob den Vorhang beiseite. Augenblicklich verstummte das Gerede. Dicht gefolgt von Cloud betrat er den Raum. Ein Tisch war von mehreren Personen besetzt. Sämtliche Augen richteten sich auf die Neuankömmlinge. Argwöhnisch wurden sie von oben bis unten gemustert. Schon ihre feine Kleidung gab genügend Anlaß dazu. Nebeneinander setzten sich Eduard und Cloud an die Theke. Langsam kam der Wirt auf sie zugeschritten. Die abgebrochene Unterhaltung der Gäste wurde fortgesetzt.
„Was darf es sein?“ fragte der Wirt, indem er einen nach dem anderen anblickte.
„Eine Tasse Kaffee“, antwortete Eduard. Cloud nickte nur, worauf der Wirt ihnen das Gewünschte zubereitete.
„Fremd hier“, bemerkte der Kneiper beiläufig, als er ihnen den Kaffee auf die Theke stellte.
„Was ist denn da draußen passiert?“ nahm Cloud sofort den Anlaß zum Fragen.
Der Wirt warf einen Blick über Clouds Schulter hinweg auf den besetzten Tisch. Niemand schien sich mehr für die Neuankömmlinge zu interessieren.
„Haben Sie es nicht in der Zeitung gelesen?“ fragte er darauf. Cloud schüttelte seinen Kopf.
„Vor der Kirche ist jemand ermordet worden“, flüsterte er ihnen darauf zu. Sichtlich froh darüber, jemandem diese schreckliche Neuigkeit unterbreiten zu können.
„Ermordet?“ tat Eduard erschrocken. Sofort hatte er erkannt, daß der Wirt einer von den Typen war, die sich gern bei anderen wichtig machen wollen.
„Irgend so ein Wahnsinniger“, redete der Wirt in gedämpftem Tonfall weiter. „Die Haut hat er ihm abgezogen. Wenn ich daran denke, läuft es mir eiskalt über den Rücken.“
„Die – Haut abgezogen?“ Eduard sah den Wirt mit
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