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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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erfrieren läßt. Wie machen Sie das?“
    Der Prediger legte dem Pastor seine Hand auf dessen Schulter. Unbewegt blickte er Dauwn in die Augen. Dem Pastor war es auf einmal, als wolle der Prediger sein Inneres erforschen. Ihm war, als seien seine Gedanken dem Fremden gegenüber wie ein offenes Buch. Nur für wenige Sekunden, die Dauwn wie eine Ewigkeit vorkamen. Schlagartig ließ der Prediger wieder ab von ihm. Unwillkürlich holte der Pastor mehrmals tief Luft. Entgeistert sah er den Prediger an.
    „Wissen Sie nun, wie es geht?“ fragte ihn dieser, drehte sich um und verließ gelassenen Schrittes die Kirche. Dauwn starrte dem Prediger fassungslos hinterher. Eiskalt lief es ihm dabei über den Rücken.
    Die Nacht brach heran. Kalt fegte der Novemberwind durch Mountain-City. Nur noch wenige Menschen befanden sich auf den Straßen, und auch diese beeilten sich, in das schützende Warm zu kommen.
    Nicht weit entfernt der Kirche befand sich das Pub Mountincar . Eine kleine Kneipe, in der des Nachts meist ein reger Umtrieb herrschte. Soeben betrat ein alter Mann die Stufen, die hinab in das gruftartige Gewölbe führten. Durch einen derben Tritt stieß er die Tür vor sich auf, trat hindurch und knallte sie hinter sich wieder zu. Ein kurzer schmaler Gang, am Ende ein Vorhang. Hinter diesem verbarg sich die eigentliche Gaststätte. Wie gewohnt setzte er sich auf den äußeren Barhocker der Theke. Um diese Zeit war er noch der einzige Gast.
    „Wie immer“, brummte er dem Wirt entgegen, der ihn nur anzublicken brauchte. Kurz darauf schob er ihm ein Glas Whisky zu. Nachdem der alte Mann, an die siebzig Jahre mochte er schon zählen, einen kräftigen Schluck genommen hatte, winkte er den Wirt durch eine kurze Handbewegung zurück.
    „Ich habe gehört, irgend so ein verrückter Prediger hat irgendwelchen Quatsch vom Weltuntergang erzählt“, sprach er den Kneipenbesitzer an.
    „Bin zufällig vorbeigekommen“, erwiderte der Wirt, sich mehr dabei entschuldigend.
    „Wie sah der denn aus?“ fragte der Alte darauf interessiert.
    Der Wirt zuckte mit der Schulter. „Ziemlich groß“, antwortete er verwundert über diese Frage.
    „Wie, nur groß?“ Giftig blickte ihn der alte Mann dabei an.
    Kopfschüttelnd wandte der Wirt sich von ihm ab. „Er hatte knallrotes Haar“, sagte er und schenkte sich selbst auch einen Whisky ein.
    „Knallrotes Haar?“ wiederholte der Gast. Noch giftiger funkelten dabei seine Augen.
    „Naja“, entgegnete der Wirt. Gelangweilt lehnte er sich wieder ihm gegenüber an die Theke. „Eher grelles rotes Haar. Und ebenso einen Bart bis hierhin.“ Er zeigte bei sich auf die Stelle, bis wohin er den Bart gesehen hatte. Nur ein wenig machte er ihn dabei länger.
    „Und was hat er geschwafelt?“ bohrte der alte Mann weiter.
    „Ach“, wehrte der Wirt ab. „So genau habe ich mir das nicht mit angehört. Er sagte irgendsowas von einem Propheten, oder mehrere, die früher mal verfolgt wurden.“ Der Wirt setzte sein Glas an den Mund und trank es in einem Zug leer.
    „Das war doch nicht alles?“ bemerkte sein Gast etwas sarkastisch.
    „Soll ich dir es vielleicht Wort für Wort wiedererzählen?“ entgegnete der Wirt genervt. Der alte Mann sah ihn zornig an.
    „Ich bitte darum!“ gab er energisch zurück.
    Der Wirt holte tief Luft. Er sah es seinem Gast an, daß es ihm todernst dabei war.
    „Meinetwegen“, schluckte er. „Ich versuch mal, ob ich es noch zusammenbekomme. Aber nur weil du es bist, ja.“ Er schenkte sich noch ein Glas ein, bevor er zu reden begann.
    „Viel ist es aber nicht“, bemerkte er beiläufig und nahm einen kräftigen Schluck aus dem Glas. „Er sagte, daß das Ende nicht mehr weit weg ist“, begann er zu erzählen. „Vögel würden tot vom Himmel fallen, Babys nächtelang schreien. Der Mond so rot werden wie das Blut. Unser Blut soll es sein“, wieder setzte er sein Glas an den Mund, trank es leer und schenkte nach. Der alte Mann horchte ihm aufmerksam zu. „Dann sagte er noch was von einer Finsternis, die das Licht Gottes verdrängt. Dann soll er da sein. Wer, hat er nicht gesagt, aber wir sollen unsere Augen schließen und niemals hineinsehen. Ich glaube, er nannte das Wort Antlitz. Vielleicht sowas, wie ein Gesicht.“ Der Wirt versuchte einen Eindruck zu vermitteln, als erzähle er von jemandem, den er selbst für irrsinnig hält. Dabei war er einer von denjenigen gewesen, die den Prediger nicht aus den Augen gelassen hatten, während er zu ihnen sprach.

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