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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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befand. Lange wollte er sich jedoch nicht darin aufhalten. Mindestens nicht länger, als bis er wußte, ob sich das Buch an diesem Ort befindet oder nicht.
    Zuerst nahm er den Baumstumpf ins Visier. Vorsichtig versuchte er ihn ein wenig zu verschieben. Nachdem dies nicht gelang, verstärkte er den Druck. Tatsächlich, der Baumstumpf bewegte sich. Er ließ sich völlig beiseite bewegen. Ein großes Loch kam darunter zum Vorschein. Dem Pater blieb beinah das Herz stehen, als er in die Öffnung blickte. Er hatte es gefunden. Wider Erwarten hatte Richmon das Buch auf Anhieb gefunden. Wie gebannt starrte er auf das Zeichen. Dasselbe, wie er es auf dem Holztritt im Kirchurm aufgefunden hatte. Ankh, das magische Symbol der Wiedergeburt.
    „EGO VENIO ITERIUM“ las er leise die Worte. „Ich komme wieder“, übersetzte er die fremdartige Sprache. Unwillkürlich wandte der Pater sich um. War da nicht etwas? Hatte sich da nicht eben das Gezweig ein wenig bewegt? Längere Zeit beobachtete Richmon die dürren Äste, die dem Lager als Mauerwerk dienten. Er mußte sich geirrt haben. Nicht das Geringste konnte er feststellen. Ein beklemmendes Gefühl überkam ihn, als er sich dem Buch näherte. Mit beiden Händen nahm er es aus dem Erdloch heraus und legte es vorsichtig auf den Baumstumpf. Fassungslosigkeit und Triumph übermannten ihn gleichzeitig.
    „Endlich“, hauchte er seine innere Spannung über die Lippen. Noch bedächtiger öffnete er den Deckel des Buches. Mit Genugtuung betrachtete er die schwungvollen Buchstaben der ersten Seite.
    „Als ich feststellte, daß unsere Freiheit nur eine trügerische Illusion, nur eine Sklaverei der Gegenwart ist, floh ich in eine andere Freiheit. Ihr nennt sie Tod.“ Unterzeichnet war die erste Seite mit dem Namen Eremond Pontakus . Neugierig schlug Richmon die zweite Seite auf. Die Schrift auf dieser Seite war etwas kleiner, hatte aber denselben malerischen Charakter und den Aufbau eines Verses oder Abschnittes.
    „Mein Wille ist es, durch dieses Buch sprechen zu lassen oder selbst zu sprechen. Mein Wille ist es, verstanden oder nicht verstanden zu werden. Mein Wille ist es, Geschehenes geschehen zu lassen. Oder auch nicht. Mein Wille ist es, Verderbtes verderben zu lassen. Mein Wille ist es, zu bestimmen, zu befehlen, zu beherrschen.“ Mit wachsender Neugier las der Pater Zeile für Zeile. Plötzlich, er wollte die nächste Seite aufschlagen, war ihm, als vernehme er hinter sich ein Geräusch. Das Rascheln eines abgedorrten Zweiges, der unachtsamerweise abgebrochen wurde. Abrupt wandte er sich um.
    Wirf es mir herunter, wenn du es hast, hörte er eine Stimme. Aber es war nicht so, daß jemand zu ihm sprechen würde. Es war, als würden seine Gedanken zu diesem Satz zusammengefügt. In Erinnerung zurückgerufener Worte, die sich in sein Gehirn eingehämmert hatten.
    Wirf es mir herunter, wenn du es hast, wiederholte sich derselbe Vorgang. Wie ein Echo hallte es ihm entgegen, das jedoch nur er wahrnehmen konnte. Von allen Seiten dröhnte es in seinen Ohren. Von allen Seiten, unaufhörlich hämmerte es auf ihn ein. Richmon drehte sich um die eigene Achse. Er drehte sich, egal wohin, immer wieder dieselben Worte. Wirf es mir herunter, wenn du es hast. Wirf es mir herunter, wenn du es hast. Wirf es mir herunter, wenn du es hast. Mit den Handflächen preßte er sich die Ohrmuscheln zu. So stark, daß sie zu schmerzen begannen. Vergebens. Es war in ihm drin, die Worte, der Satz.
    „Aufhören“, keuchte der Pater. „Aufhören, aufhören – AUFHÖREN! - DU SOLLST AUFHÖREN!“ brüllte er in den Wald. Seine Stimme überschlug sich dabei. Von allen Himmelsrichtungen drang sein Schrei zurück, bis er in sich erstarb.
    Totenstille. Verwirrt blickte er um sich, dann auf das Buch. Richmon wußte genau, er hatte die dritte Seite nicht aufgeschlagen. Felsenfest war er davon überzeugt, die dritte Seite nicht aufgeschlagen zu haben. Felsenfest, dennoch war sie es. Ohne es eigentlich zu wollen, las der Pater die Worte.
    „Es ist der Mond, mein Freund, der die Zeiten bestimmt. Es ist die Sonne, der Feind der Finsternis. Doch das Dunkel ist Freund des Bösen, der Gier, der Habsucht, der Rache. Das Dunkel wird dir sagen, wo das Licht zu finden ist. Das Licht weiß nichts von der Finsternis. Das Licht, Schöpfer des Lebens. Das Leben, Ursache des Todes. Du bist Tod, mein Freund. Nur der Knabe weiß es. Nur der Knabe. Weil du tot bist, müssen viele sterben. Nur deshalb. Bis der Knabe es weiß. Denn

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