Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)
Vertrauen gesagt. Den anderen will man sagen, daß Mr. Sallivan gekündigt hat.“
„Entlassen?“ Dumpkin machte ungewollt einen Schritt zurück. „Wann?“
„Heute morgen. Daraufhin hat Mr. Sallivan das Internat sofort verlassen.“
„Warum?“
„Keine Ahnung. Aber, wieso bist du so erschrocken darüber?“
Dumpkin sah Melanie mit aufgerissenen Augen an. Am liebsten wäre er sofort zu seinen Freunden gesprungen, um ihnen diese Nachricht zu übermitteln. Das würde Sallivans Fehlen auf Jeremies Beerdigung erklären. Und ihr Traum, hatte er vielleicht eine andere Bedeutung? Und das Buch? Hatte es ihnen doch geholfen? Langsam kam Freude in Dumpkin auf. Aber was war, wenn Mr. Goodman es einfach so hindrehte. Wenn einfach gesagt würde, Sallivan sei entlassen worden? Was dann?
Dumpkin fühlte sich hin- und hergerissen. Melanie blickte Dumpkin verständnislos an. Plötzlich vernahmen sie ein Geräusch, das von der Eingangstür herrührte. Erschrocken starrten sie auf die Türklinke, die langsam nach unten gedrückt wurde. Melanie stellte sich schutzsuchend hinter Dumpkin. Das Knarren war deutlich zu hören. Wenig später betrat eine Gestalt das Freie.
Dumpkin atmete auf. Ellinoy, der sofort in das Dunkel huschte. In die Richtung von Dumpkin und Melanie. Erschrocken blieb Ellinoy stehen. Erst beim zweiten Blick erkannte er seinen Freund.
„Du bist noch hier?“ fragte er ihn verwundert. Melanie trat hinter Dumpkin vor.
„Ah“, entfuhr es Ellinoy. Lächelnd blickte er sie an.
Dumpkin konnte seine Freude über Ellinoys unerwartetes Erscheinen fast nicht verbergen. Schmunzelnd streckte er ihm seine unverletzte Hand entgegen. Ellinoy schlug kräftig darin ein.
„Hab’s mir anders überlegt“, flüsterte er.
„Ich muß dann wieder gehen“, sagte Melanie zu Dumpkin. Sie wollte an ihm vorbei. Auf einmal hallten Schritte über das Pflaster. Dumpkin blickte um sich. Das einzige Versteck war das schützende Dunkel. Ellinoy drückte sich gegen die Mauer. Dumpkin forderte Melanie durch einen Wink dazu auf, dasselbe zu tun. Die Schritte wurden lauter. Nicht mehr weit, dann mußte die Person hinter der Kirche hervortreten. Jäh verstummten sie. Minuten verstrichen. Melanie verhielt sich überraschend still. Nicht den geringsten Laut gab sie von sich. Dumpkin griff vorsichtig in seine Tasche. Fest umschlossen seine Finger das Messer. Plötzlich wieder die Schritte. Sie entfernten sich. Schnell, bis sie gänzlich verhallten.
„Gott sei Dank“, atmete Melanie auf. Noch ehe Dumpkin etwas sagen konnte, hatte sie sich zur Tür begeben. Für einen Moment drehte sie sich zu ihm um.
„Wir sehen uns“, flüsterte sie, halb fragend, halb bestimmend. Dumpkin zwinkerte ihr nur zu. Melanie verschwand hinter der Tür.
Ellinoy löste sich von der Mauer.
„Das war knapp“, schnaufte er erleichtert auf. „Nun aber nichts wie weg.“
Dumpkin nickte nur. Seine Gedanken waren noch bei Melanie. Gleichzeitig aber auch bei dem Buch, das keine ungefährliche Strecke entfernt verborgen lag. Ellinoy zog sich die Schuhe aus, band die Schnürsenkel zusammen und warf sie sich über die Schulter. Dumpkin folgte seinem Beispiel, wobei Ellinoy ihm beim Zusammenbinden behilflich war.
„Ich bin froh, daß du es dir anders überlegt hast“, machte Dumpkin nach einiger Zeit seiner Freude Luft. Hintereinander schlichen sie sich an der Kirchenmauer entlang bis hin zu der Stelle, an der sie sich einen Tag zuvor schon einmal getrennt hatten.
„Ich dachte schon, dich nicht mehr anzutreffen“, erwiderte Ellinoy. Aufmerksam spähte er um sich. Niemand war zu sehen. „Möchte wissen, wer das gewesen ist“, fragte er darauf.
„Melanie hat mir etwas Interessantes erzählt“, flüsterte Dumpkin zurück. Obwohl sie ihn eindringlich gebeten hatte, es niemandem weiterzuerzählen, mußte er diese Nachricht Ellinoy anvertrauen. Immerhin hatte sie es ihm ja auch nur anvertraut. Und die Situation erforderte es, diesbezüglich nichts zu verschweigen, wobei er seinen Freunden gegenüber so oder so keinerlei Geheimnisse besaß.
„Sallivan hat heute morgen das Internat verlassen“, sprach Dumpkin weiter.
Ellinoy wandte sich entgeistert um. „Sallivan ist tot“, entfuhr es ihm. Dumpkin blickte über Ellinoys Schulter hinweg.
„Die Luft ist rein“, entgegnete er. „Ich erzähle es dir, wenn wir draußen sind.“
Ellinoy nickte. Noch einmal überzeugten sie sich davon, nicht beobachtet zu werden. Mit ausgreifenden Schritten rannten sie
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