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Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Das Buch der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Das Buch der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aaron E Lony
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Möglichkeit, sich zu entziehen. Richmon ließ sie nicht aus den Augen. Keinen von ihnen. Champy betrat zuletzt die Begräbnisstätte. Ihm stockte der Atem, als er an Richmon vorbeischritt. Die Steinhütte, die halb verfallenen Gräber, sogar die verwachsene Friedhofsmauer – alles stimmte. Es war wie in seinem Traum. Ängstlich blickte er um sich. Sallivan, nirgends war Sallivan zu sehen.
    Richmon zog das Eisentor hinter sich wieder zu. Champy schauderte. Bis in die Knochen fuhr ihm dieses Geräusch. Unauffällig packte er Ellinoy am Arm.
    „Er ist nicht da“, flüsterte er ihm zu. Leicht zitterte seine Stimme. „Sallivan, er ist nicht da.“
    Ellinoy sagte nichts. Die Schüler hatten einen schmalen Gang gebildet, damit Pater Richmon mühelos an das Grab gelangen konnte. Durch diesen Gang bekam er direkte Sicht auf das Grab. Sofort fiel ihm auf, daß es ungewöhnlich breit war. So breit wie ein Doppelgrab.
    Richmon trat an ihnen vorbei. Mit gesenktem Kopf, die Hände zusammengefaltet. Er stellte sich auf die andere Seite des Grabes. Nicht weit von Rouven und Schwester Maria entfernt. Augenblicklich kehrte wieder Ruhe ein. Unheimliche Ruhe. Sämtliche Blicke waren auf den Erdhügel gerichtet. Selbst Dumpkin konnte nicht davon ablassen. Wie gebannt starrte er auf das ungeschmückte Grab, das einen trostlosen Eindruck hinterließ. Auch ihm war aufgefallen, daß es ungewöhnlich breit war.
    Richmon erhob seinen Kopf, blickte auf die Kinder vor ihm, in dessen Gesichter er tiefe Trauer herauslesen konnte. In manchen Augen sah er sogar Tränen, die langsam über die Wangen kullerten, um auf die Erde zu fallen und darin zu versickern. Richmon richtete seinen Blick noch weiter empor, bis er das Unendliche, das tiefe Blau des Himmels, der sich zwischen den Baumwipfeln zeigte, zu erfassen bekam.
    „O Herr“, ertönte seine Stimme. „Es bedarf nicht vieler Worte, um das zu sagen, was unsere Herzen bewegt. Sieh hinab zu Deinen Schafen. Sieh hinab auf das, das sich Deiner widersetzen will. Vernichte es, das Böse. Vernichte es und erlöse uns davon. Nimm uns auf in Dein Gemüt und beschütze uns. Beschütze uns vor der Qual der Hilflosigkeit. Beschütze uns vor uns selbst, die wir manchmal nicht wissen, was wir tun. Beschütze uns davor, o Herr. Beschütze uns davor. Amen.“

5. Kapitel
    Das Gesetz
    Der Abend war hereingebrochen. Für die Unzertrennbaren gab es noch keine Möglichkeit, sich abzukapseln, wie sich Ellinoy auszudrücken pflegte. Nachdem Showy seinen Schandfleck mühevoll gereinigt hatte, saßen sie wieder im Zimmer zusammen, um Beratung abzuhalten. Dumpkin nagte nervös auf seiner Unterlippe.
    „Ich halt das nicht mehr länger aus“, murmelte er. „Ich muß ins Lager, egal wie. Und wenn es stockdunkel ist. Ich muß!“
    „Ausgangsverbot“, flüsterte Ellinoy. „Ich glaub’s einfach nicht. Kann mir einer sagen, was hier gespielt wird?“ Er blickte einem nach dem anderen ins Gesicht. Showy war die Blässe immer noch anzusehen. Seit Jeremies Beerdigung hatte er bisher noch kein Wort gesprochen.
    „Warum durften wir nicht dabei sein?“ fragte Champy leise. Zum x-ten mal hatte er diese Frage gestellt. Immer wieder, als warte er darauf, eine plausible Antwort darauf zu bekommen. Dumpkin erhob sich aus seinem Bett, das er als Sofa benutzte, und begab sich zum Fenster. Dämmerung, vielleicht die beste Gelegenheit, sich aus dem Internat zu schleichen.
    „Wer geht mit?“ fragte er, indem er sich gleichzeitig umdrehte. Champy schüttelte sofort den Kopf. Showy reagierte nicht darauf. Auf Ellinoy blieb sein Blick haften.
    „Gehst du mit?“ fragte er ihn direkt.
    Ellinoy senkte nachdenklich seinen Kopf. „Und wenn er kommt?“ fragte er zurück.
    „Morgen ist es vielleicht zu spät“, setzte Dumpkin dagegen. „Denk an das Buch. Unser Buch.“
    „Du hast ihn noch nicht gesehen“, erwiderte Ellinoy. „Du bist der einzige von uns, der ihn noch nicht gesehen hat.“
    Dumpkin wandte sich ab. Lange blickte er zum Fenster hinaus. Minuten verstrichen, in denen das Tageslicht mehr und mehr von der herannahenden Nacht verdrängt wurde.
    „Deine Taschenlampe“, sagte er nach einer Weile. „Gibst du sie mir?“ Erwartungsvoll, in der Hoffnung, Ellinoy doch noch umstimmen zu können, sah er ihn an. Ellinoy trug die kleine Stablampe ständig bei sich. Stumm gab er sie seinem Freund. Für Dumpkin das Zeichen, sein Unternehmen allein bewältigen zu müssen. Leise schlich Dumpkin sich aus dem Zimmer. Kein Wort

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