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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Während das Eisen heiß wurde, begann er damit, Draupnirs Leiche zu zerlegen.
    Der Blutgeruch lockte einen Raben an. Neugierig beobachtete der Vogel, wie eine schwarzvermummte Gestalt Fleischbrocken aus einem Menschenkörper schnitt. Der Rabe krächzte und verlangte seinen Anteil.
    Aber die Gestalt beanspruchte ihre Beute für sich allein.

41.
    Helgi hatte sich am Kopf einer Landebrücke auf eine Kiste gesetzt und blickte auf das schwarze Wasser des Hafens von Haithabu.
    Dreizehn Runden Tafl hatte er gegen Ingvar spielen müssen, bis er endlich gewonnen hatte. Aber vielleicht hatte Ingvar auch einfach Mitleid mit ihm gehabt. Er hatte Wort gehalten und ihm schließlich verraten, wo Helgi doch noch Eisen herbekommen konnte: vom Priester Odo, dem Munki. Ingvar wollte einen Beutel voller Barren in einem Schuppen gesehen haben, ganz in der Nähe der Baustelle.
    Helgi solle den Priester darum bitten, hatte Ingvar gesagt. Der Munki sei ein gütiger Mann, ein Christ eben.
    Aber wird er mir wirklich helfen?, dachte Helgi. Warum sollte er das tun? Weil er ein Munki ist? Niemandverschenkt Eisenbarren. Niemand. Dafür sind sie viel zu kostbar. Und die drei Silbermünzen, die Ingvar Helgi gegeben hatte, würden bei weitem nicht ausreichen.
    Es half alles nichts – Helgi brauchte mehr Geld. Er musste alles tun, um das beste Schwert zu schmieden und Rúna zu befreien.
    Als ihn ein Geräusch aus seinen Gedanken riss, schaute er zum Fjord hinüber. Aber in der Dunkelheit war nirgendwo etwas zu erkennen. Hatte er sich getäuscht? Nein, da war es wieder. Es waren die Geräusche von Rudern, die ins Wasser eintauchten. Das musste ein Schiff sein, eindeutig, und es kam näher. Mitten in der Nacht? Nur Verrückte oder Lebensmüde befuhren nachts den Fjord, wegen der Untiefen war das lebensgefährlich.
    Jetzt hörte Helgi auch Stimmen. Das Schiff konnte nicht mehr weit entfernt sein. Er strengte seine Augen an, erkannte aber noch immer nichts. Die an der Landebrücke festgemachten Boote schaukelten sanft hin und her. Masten knarrten, Wasser gluckste.
    Dann tauchte mit einem Mal ein mittelgroßer Kahn mit eingeholtem Segel wie von Geisterhand geschoben aus der Dunkelheit auf und hielt auf die Landebrücke zu. Acht Männer ruderten, ein neunter hockte im Bug. Das Boot war noch gut dreißig Schritt entfernt.
    Irgendetwas schien nicht zu stimmen: Die um Hilfe rufenden Männer ruderten aus Leibeskräften, aber das Boot schlingerte hin und her. Da erkannte Helgi den Grund für die Aufregung: Das Boot hatte Leck geschlagen, und das Wasser stand den Männern bis an die Knie. In wenigen Augenblicken würde der Kahn sinken.
    Helgi winkte den Männern zu, um sie zu einem freien Liegeplatz zu lotsen. Doch plötzlich stellten sie das Rudernein. Offensichtlich glaubten sie nicht mehr daran, die Landebrücke noch erreichen zu können, und rafften Kisten und Taschen zusammen.
    Helgi entdeckte Björns Fischerboot, sprang hinein, löste die Taue und stieß ab. Gerade noch rechtzeitig erreichte er das Schiff. Einer der Männer war bereits von Bord gesprungen, in der Hoffnung, dass das Hafenbecken hier seicht genug zum Stehen war. Doch seine Füße fanden nirgendwo Halt, und die vollgesogene Kutte zog ihn in die Tiefe. Panisch klammerte er sich am sinkenden Schiff fest.
    Helgi forderte die Männer auf, in sein Boot zu kommen. Sofort flogen Taschen, Beutel und Kisten zu ihm herüber. Einer der Männer wurde vorgeschickt. Er war alt, mindestens sechzig Jahre. Als Helgi ihm eine Hand reichte, griff der Alte danach. Mit einem Ruck zog Helgi ihn zu sich. Dann folgten sieben weitere Männer. Als der letzte von ihnen es in den nun vollbesetzten Fischerkahn geschafft hatte, verschwand ihr leckgeschlagenes Schiff gurgelnd im pechschwarzen Noor.
    «Wir haben unseren Bruder vergessen», rief einer.
    Helgi erinnerte sich an den Mann, der von Bord gesprungen war.
    «Da vorne», brüllte einer der Männer und zeigte zu der Stelle, an der nur noch die Mastspitze des gesunkenen Schiffs aus dem Wasser schaute. Daran klammerte sich der Unglückliche.
    «Ich hole ihn später raus», rief Helgi. «Wenn wir noch einen Mann aufnehmen, geht dieser Kahn unter.» Dann begann er, zur Landebrücke zurückzurudern.
    Da öffnete der Alte den Mund und sagte: «Lasst uns beten für unseren Bruder!»
    Die Männer stimmten an: «Hilf mir, o Gott, denn die Wasser gehen mir bis an die Seele. Ich bin versunken im tiefen Schlamm und habe keinen Stand, ich bin in tiefes Wasser geraten, und die

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