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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Dämon Ira war vernichtet. Nun fehlten noch die beiden letzten Dämonen: Invidia und Superbia.
    Das Gefährliche an Ansgars Rückkehr war, dass derGreis alles daransetzen würde, Odo aus seinem Priesteramt zu verdrängen. Zumal Ansgar mit Sicherheit bemerken würde, dass die päpstliche Urkunde des verstorbenen Adamnanus gefälscht war.
    In diesem Moment betrat jemand die Kirche. Odo erhob sich und sah einen jungen Mann, der vom Licht der Morgensonne umflutet im offenen Portal stand. Er hatte schwarze Haare und war so groß, dass Odo zu ihm aufschauen musste. Sein Haar war voller Staub und seine Hose an den Knien aufgerissen.
    Odo runzelte die Stirn. Es kam ihm vor, als habe er den jungen Mann schon einmal gesehen. «Wer bist du?», fragte er.
    «Ich bin Helgi, der Sohn des Schmieds Einar.»
    Da fiel Odo die Begegnung in der Stadt ein. Die Trauernden. Dieser Helgi war derjenige gewesen, der den Toten auf einem Karren geschoben hatte. Sollte der Verstorbene – diese kleine, schmächtige Gestalt – etwa der Vater dieses südländisch wirkenden Hünen sein?
    «Was führt dich zu mir?», fragte Odo.
    «Ich   … ich möchte Euch um etwas bitten.»
    «Worum geht es? Du kannst ganz offen reden.»
    «Ich würde Euch gern etwas Eisen abkaufen. Zehn Barren, oder zwanzig.»
    Odo war überrascht. Warum belästigte ein Däne einen christlichen Priester mit einem solchen Anliegen? «Wie kommst du darauf, dass ich dir so etwas verkaufen könnte? Sehe ich aus wie ein Eisenhändler?»
    Helgi schüttelte den Kopf. «Ich kann Euch im Moment leider nur sechs Münzen als Anzahlung geben. Aber ich werde noch mehr Geld auftreiben, das ich Euch geben kann, wenn ich das Schwert geschmiedet habe.»
    Ein Schwert geschmiedet? Der Däne redete wirres Zeug. Die Angelegenheit erschien Odo immer rätselhafter. Dennoch hatte der Kerl etwas an sich, das Odos Aufmerksamkeit erregte, auch wenn er sich nicht erklären konnte, was es war. Waren es die dunklen Augen? Oder die pechschwarzen Haare?
    «Setz dich», forderte Odo ihn auf.
    Helgi ließ sich auf einem Holzstapel nieder und nestelte an seinem Hemd. «Ich könnte das Eisen gegen ein Christenkreuz eintauschen.»
    «Ein Kreuz?» Odo runzelte die Stirn.
    Helgi steckte eine Hand unter sein Hemd und zog ein Kruzifix darunter hervor.
    Odo stieß einen leisen Pfiff aus. «Darf ich es mir einmal ansehen?»
    Helgi reichte es ihm. Odo betrachtete das Kruzifix eingehend und ließ seine Finger über die runden Medaillons und die ziselierte Oberfläche aus Gold und Silber gleiten. Das Abbild des Herrn Jesus war mit Nieten an das Kreuz geheftet worden. Es war eine herrliche Arbeit und mehr wert als alles Eisen, das es auf der Baustelle gab. Das wäre genau der richtige Schmuck für den Altar.
    «Wo hast du dieses Kruzifix her?», fragte er den Dänen, wobei er sich bemühte, sich seine Erregung nicht anmerken zu lassen.
    «Ich hab’s   … im Wald gefunden.»
    «Niemand findet ein solches Kreuz einfach im Wald.»
    Helgi scharrte mit den Füßen. «Das Ding lag da halt herum. Wenn Ihr es nicht haben wollt, verkaufe ich es auf dem Markt.»
    «Nein», rief Odo etwas zu laut und etwas zu vorschnell.
    Helgi hob den Blick. «Ihr könnt es haben, wenn Ihr wollt», sagte er. «Aber gebt mir dafür Euer Eisen.»
    «Dieses ‹Ding›, wie du es nennst, mein Sohn, stellt das Kreuz dar, an dem der Herr Jesus für uns Menschen gelitten hat. Ich frage dich noch einmal: Woher hast du es?»
    Helgi zuckte mit den Schultern. Die Sache schien aus dem Ruder zu laufen. Er wollte Eisen kaufen und sich nicht für dieses dämliche Kreuz rechtfertigen. Er wusste wirklich nicht, wie er dazu gekommen war. Als er im Morgengrauen aus seiner Bewusstlosigkeit erwacht war, war der Alte nicht mehr in der Hütte gewesen. Das Kreuz hatte jedoch noch immer dort gelegen. Vielleicht hatte der Alte es einfach vergessen. Vielleicht wollte er es auch gar nicht mehr haben   …
    Odo betrachtete den jungen Mann, der seinem Blick auswich. Es war offensichtlich, dass er ein schlechtes Gewissen hatte. Viele Möglichkeiten, woher er das Kruzifix hatte, gab es nicht, und diejenige, die am unangenehmsten war, erschien Odo am wahrscheinlichsten: Der Däne hatte es Ansgar gestohlen. Wenn das stimmte, dann würde Odo das Kreuz nicht für seinen Altar verwenden können. Womöglich würde man ihn verdächtigen, mit diesem Räuber unter einer Decke zu stecken.
    Odo sagte: «Angenommen, ich gebe dir zehn Barren. Erzählst du mir dann, woher du das Kreuz

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