Das Buch der Sünden
Hölzer. Der andere sammelt sie am Heck wieder ein und bringt sie nach vorne. Verstanden?»
«He, Vyšemer – wie schmeckt eigentlich Menschenfleisch?», rief Helgi zur Luke.
Keine Antwort.
«Vyšemer?»
Helgi bewegte sich zur Rückwand. «Wir müssen uns beeilen. Der Mistkerl hat etwas gemerkt und ist abgehauen.»
Er trat mit dem Fuß gegen die Wand. Das Holz knirschte, gab aber nicht nach. Auch als er mit der Schulter dagegendrückte, geschah nichts. Sollte er sich doch getäuscht haben? Es gab nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden. Er nahm Anlauf und warf sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Wand. Die Lehmschicht, mit der das Flechtwerk verputzt war, barst, und das Stützholz krachte. Dann kippte die Wand langsam nach außen auf.
«Du hast es geschafft», rief Teška und umarmte Helgi stürmisch.
Er rannte aus dem Anbau. Vyšemers Schatten bewegte sich humpelnd am Hafenbecken entlang auf das Feuer zu. Er kam zwar nur langsam voran, würde die Männer aber erreicht haben, bevor das Boot im Wasser war.
Ansgar begann damit, die Rundhölzer auszulegen, während Helgi achtern gegen den Steven drückte. Seine Schulter schmerzte von dem Aufprall an der Wand, aber er schüttelte den Schmerz ab. Endlich ruckte das Boot vorwärts, Stück für Stück. Zunächst nur eine Handbreit, dann aber rutschte es immer gleichmäßiger über die Rundhölzer. Das Gelände, das zum Ufer hin leicht abfiel, erleichterte die Arbeit. Teška konnte die Hölzer achtern immer schneller einsammeln und sie Ansgar bringen, der sie erneut zwischen Boot und Ufer auslegte.
Als sie etwa die Hälfte der Strecke überwunden hatten, erreichte Vyšemer das Feuer. Gestikulierend redete er auf die Männer ein, und es dauerte nicht lange, bis er sie überzeugt hatte. Die Männer ließen von den Huren ab und rannten in Richtung von Radegasts Haus. Dieses Malkamen nicht nur die Slawen, auch die Seeräuber wollten sich den Spaß offensichtlich nicht entgehen lassen.
Noch zehn Schritt bis zum Wasser. Helgi stöhnte. Der Schweiß tropfte von seiner Stirn. Seine Schulter schmerzte bei jedem Schritt. Auch die Wunden auf seinen Händen waren wieder aufgeplatzt.
Vom Hafen her wurde das Grölen der Slawen und Víkingr lauter. Ihre Fackeln waren zuckende Lichtpunkte, die sich rasch näherten.
Noch acht Schritt. Ansgar erreichte mit den Rundhölzern bereits die Wasserkante. Noch sieben Schritt.
Ansgar und Teška packten am Achtersteven mit an und halfen Helgi beim Schieben. Noch fünf Schritt.
Das Gebrüll klang jetzt sehr nah.
Noch drei Schritt, zwei, einer. Der Kiel schrammte über den Grund. Das Wasser war zu seicht. Das Boot schwamm noch nicht. Sie mussten weiterschieben.
Neben dem Boot landete etwas platschend im knöcheltiefen Wasser. Es war ein Beil. Helgi riskierte einen Blick über die Schulter. Die Angreifer waren nur noch wenige Schritte entfernt. Ein weiteres Beil flog über Helgis Kopf hinweg und landete im Boot.
Endlich löste sich der Kiel vom Grund. Helgi packte Teška an der Hüfte und hob zunächst sie und dann Ansgar ins Boot. Wasser spritzte auf, als die ersten Angreifer das Ufer erreichten. Es waren mindestens zwei Dutzend Männer.
Während Teška und Ansgar die Ruder bereit machten, zog Helgi sein Schwert. Im Rückwärtsgehen schob er das Boot weiter ins Tiefe und brüllte, so laut er konnte: «Ich bin Helgi, Einars Sohn! Ich habe keine Angst!»
Das war zwar glattweg gelogen. Aber seine imposanteErscheinung und Stimme ließen die Angreifer zumindest für einen Augenblick innehalten.
Das Wasser reichte Helgi nun bis an die Oberschenkel. Er wollte sich gerade ins Boot ziehen, als ein Pfeil abgeschossen wurde. Die Spitze bohrte sich in die Planken. Als sei dies ein Zeichen gewesen, nahmen die Krieger den Angriff wieder auf und schleuderten weitere Beile nach den Flüchtenden.
Helgi zog sich über den Achtersteven an Deck, warf sich auf die Ruderbank und legte sich in die Riemen. Doch einer der Angreifer sprang hinter dem Boot her und bekam den Achtersteven zu fassen. Über den Planken tauchte sein bärtiges Gesicht auf. Stirn und Wangen des Mannes waren mit blauen Ätzungen überzogen. Zwischen seinen Zähnen klemmte ein Messer.
Ein Beil war neben der Kielschwelle gelandet. Ohne zu zögern, hob Teška es auf und ging steifbeinig und mit starrem Blick auf den Krieger zu. Der Víkingr hatte seinen Oberkörper bereits über die Bordwand gestemmt, als sie zuschlug und ihm den Schädel spaltete. Lautlos versank er im
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