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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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inne und legte einen Zeigefinger an die Lippen.
    Dann ging der Zauberer zu dem Wohnhaus und klopfte an die Tür. Eine Frau mittleren Alters mit ausladenden Hüften öffnete. Sie trug eine vom Schlaf zerknitterte Tunika, unter der sich ein gewaltiger Busen abzeichnete. Sie blinzelte Damek aus müden Augen an, doch als sie ihn erkannte, hellte sich ihre Miene auf, und sie wollte ihn sofort ins Haus ziehen. Aber Damek löste sich von ihr und redete leise auf sie ein. Dabei deutete er immer wieder auf eines der Nebengebäude, zu dem ihn die Frau schließlich führte und in dem sie verschwand. Kurz darauf erschien sie mit drei Pferden wieder, die sie an Zügeln hinter sichherführte. Die Tiere waren von kleinem Wuchs, schienen jedoch kräftig und ausdauernd zu sein.
    Damek küsste die Frau zum Dank auf den Mund und tätschelte sanft ihren Busen, was ihr sichtlich zu gefallen schien. Seufzend überreichte sie ihm die Zügel, eilte ins Haus zurück und kehrte mit einem gefüllten Proviantbeutel zurück.
    Das Boddengewässer ruhte still, als sie die Holzbrücke überquerten. Auf der glatten Oberfläche spiegelte sich der Mond. Doch als sie den Fuß der Hügelkette erreichten, frischte mit einem Mal von Norden her der Wind böig auf.
    Das friedliche Spiegelbild verzitterte.

19.
    Damek übernahm die Führung auf einem betagten Grauschimmel, der unter dem Gewicht des dicken Ranen schnaubte. Auch das Pferd, auf dem Helgi saß, hatte schwer zu tragen. Ansgar folgte ihnen auf einem Rappen.
    Sie folgten zunächst einem gewundenen Pfad durch die Schwarzen Berge, bis sie in den Wäldern jenseits der Hügel auf eine Weggabelung stießen, an der sie nach Osten abbogen. Es war noch immer tiefe Nacht, und sie kamen nur langsam voran, da das dichte Blätterwerk das Mondlicht schluckte. Nach etwa drei Meilen endete der Weg am Ufer eines Durchflusses, der den Yasmunder mit einem weiteren Bodden verband.
    Sie ließen die Pferde anhalten. Helgi konnte weder eine Furt noch eine Brücke erkennen. Das nachtschwarze Wasser floss träge durch den Graben, gluckernde Strudelwiesen auf Untiefen hin. Ohne ein Wort zu sagen, rutschte Damek vom Rücken des Schimmels und verschwand hinter einem Hügel.
    Eine eigentümliche, beinahe gespenstische Stille lag über dem Bodden, als Helgi seinen Blick nach Norden schweifen ließ. Irgendwo dort, an der äußersten Spitze der Insel, lag Arkona, der Tempel des Ranengottes Svantevit. Eine Böe zauste Helgis Haar, als ein Windstoß durch das Schilfgras fuhr.
    In dem Moment kehrte Damek zurück. Bei ihm war ein dürrer Mann mit schütterem Haar und faltigem Gesicht. Damek stellte ihn den anderen als Fährmann Lisov vor. Der Mann, der nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien, warf dem Zauberer mürrische Blicke zu. Doch Damek beachtete dies nicht weiter, als er ihn zum Wasser hinunterschickte. Dort holte Lisov aus einem Versteck im Schilf eine Fähre hervor, einen flachen Holzkahn mit breiter Ladefläche, auf die er die Pferde führte, um zunächst die Tiere auf die andere Seite zu bringen.
    «Der Fährmann scheint dich nicht besonders zu mögen», meinte Helgi, während sie beobachteten, wie Lisov den Kahn mit einer langen Stange durch das Gewässer stakte.
    «Das ist eine alte Geschichte», erwiderte Damek. «Lisov steht in meiner Schuld. Vor mehreren Jahren kam er zu mir, weil seine Frau ihm keine Kinder schenken konnte. Er bat mich, die Frau zu heilen – und das habe ich getan. Was soll ich sagen: Sie hat einen äußerst kräftigen Jungen bekommen.»
    «Dann sollte er sich doch freuen», warf Ansgar ein.
    «Der Junge sieht aber leider überhaupt nicht aus wie sein Vater, diese Bohnenstange.»
    Helgi konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. «Soll das heißen, dass er vielmehr nach dir kommt?»
    Damek nickte.
    Ansgar schlug sich die Hand vor den Mund. «Ist die Mutter etwa die Frau, die dich während unserer Gefangenschaft mit Essen versorgt hat?»
    «Nein. Das war Woislava, die Frau, von der wir die Pferde haben   …»
    «…   und die in der Kirche des heiligen Vitus einen Schweinestall eingerichtet hat», ergänzte Ansgar bitter.
    Der Fährmann hatte die Tiere inzwischen am anderen Ufer abgesetzt und stakte zurück.
    «Hast du noch weitere Kinder in die Welt gesetzt?», fragte Ansgar.
    Damek nickte.
    «Und wie viele?»
    «Ich habe sie nicht gezählt.»
    «Na, eher zwei oder eher drei?»
    «Mindestens ein Dutzend.»
    «Allmächtiger.»
     
    Sie ritten durch die Nacht.
    Die Wege führten über die

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