Das Buch der Sünden
Schenkel des Mädchens, sodass er nun direkt hinter Ibn Rustah saß.
«Das Schiff wird ohne Euch ablegen müssen», sagte er beinahe zärtlich.
Der Händler wirbelte herum. Darauf hatte Odo gewartet. Er zog das Messer hinter seinem Rücken hervor und genoss für einen kurzen Augenblick den überraschten Blick seines Opfers. Dann schnellte die Klinge vor. Odo schlitzte dem Händler mit einem Schnitt die Kehle auf. Ibn Rustah fasste sich an den Hals, das Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor. Er versuchte sich aufzurichten, doch er stolperte über das Mädchen und fiel rücklings zu Boden. Odo beugte sich lächelnd über ihn. Als sich Ibn Rustahs Mund zu einem Hilfeschrei öffnen wollte, stieß ihm Odo das Messer durch die Rippen tief ins Herz.
Der Schiffsführer rief: «Ein halber Fuß!»
Ibn Rustahs Blut tränkte den Boden.
Die junge Frau hatte ihren Unterkörper wieder verhüllt und sich auf die Knie gehockt. Odo machte eine Bewegung mit der Messerklinge, um ihr zu bedeuten, dass sie sich erheben sollte. Sie zögerte kurz, folgte dann aber doch seiner Anweisung. Wie beiläufig wischte sie eine langeSträhne aus ihrem Gesicht, die sich aus dem Haarknoten gelöst hatte. Dabei warf sie Odo aus ihren wasserblauen Augen einen so feindseligen Blick zu, dass er beinahe zurückgeschreckt wäre.
Diese Frau hat keine Angst vor mir, dachte er irritiert und ahnte gleichzeitig, dass er all seine Kunstfertigkeit würde anwenden müssen, um sie zum Reden zu bringen.
Im Sklavenviertel von Haithabu kaufte Odo gleich nach ihrer Rückkehr eine etwa vierzig Jahre alte Frau. Sie beherrschte sowohl die Sprache der Slawen als auch die der Dänen. Der Sklavenhändler hatte lediglich fünfundzwanzig Silbermünzen für sie verlangt, die Odo sofort entrichtete. Er besaß jetzt genug Geld, da er die prallgefüllte Lederbörse des Sarazenen an sich genommen hatte. Ibn Rustahs Leiche hatte Odo mit Ästen und Blättern sorgfältig abgedeckt und dann gewartet, bis das Schiff abgelegt hatte. Er hatte Ingvar und Folke gegenüber so getan, als sei der Handel erfolgreich verlaufen. Die junge Frau hatten sie in ihre Mitte genommen. Doch die Vorsicht war unbegründet, denn sie hatte keinen Versuch unternommen wegzulaufen.
Die Brüder der Gemeinde waren überglücklich, als sie Odo wiedersahen. Sie baten ihn, umgehend den ersten Gottesdienst in der neuen Kirche abzuhalten. Odo vertröstete sie jedoch. Er gab vor, für eine solche Zeremonie noch zu erschöpft zu sein.
Den wahren Grund verriet er niemandem. Einen Gottesdienst in der Kirche des heiligen Johannes durfte es erst geben, wenn er den siebten Dämon vernichtet hatte. Dass er sein Werk vollenden würde, davon war Odo nun endlich wieder überzeugt. Der Schlüssel dazu war das Mädchen.
Noch in dieser Nacht begann er mit dem Verhör.
Er brachte die Sklavin und die junge Frau in die Priesterkammer des alten, leerstehenden Gemeindehauses. Hier würde er Zeit und Ruhe haben, um herauszufinden, wohin der Dämon entflohen war. Er schob einen Riegel vor die Tür, entzündete auf der Feuerstelle trockene Birkenscheite und wartete, bis die Flammen hell aufloderten. Dann trat er vor die beiden Weiber, die mit dem Rücken an der Wand hockten, und betrachtete im flackernden Schein ihre Gesichter. Die Ältere wich seinen Blicken aus, während die Jüngere ihn standhaft anstarrte.
Odo setzte sein gütigstes Lächeln auf. «Frag sie nach ihrem Namen und woher sie kommt», forderte er die Sklavin auf.
Sie beugte sich zu der jungen Frau und sagte leise etwas zu ihr, das Odo nicht verstand. In seinen Ohren klang die slawische Sprache sehr eigenartig. Sie schien voller Zischlaute und Konsonanten zu sein. Zunächst hatte Odo den Eindruck, sie würde schweigen. Er begann bereits zu überlegen, mit welcher Methode er ihr die Zunge lösen könnte, als sie plötzlich doch antwortete.
«Sie heißt Žiliška, Herr», übersetzte die Sklavin. «Sie gehört zum Volk der Ranen und lebte auf Rujana. Das ist eine Insel im Osten.»
Odo nickte. Er hatte zwar noch nie von dieser Insel gehört, aber die Hauptsache war, dass sich das Mädchen offenbar entschieden hatte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Das würde die Angelegenheit ungemein erleichtern, und es würde es Odo ersparen, dem jungen Ding grauenvolle Dinge antun zu müssen.
«Warum ist sie ausgerechnet mit einem Sarazenen gereist?», fragte er.
«Sie sagt, sie habe die Insel überstürzt verlassen müssen und keine Zeit gehabt, wählerisch zu
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