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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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Ambo, einer erhöhten Lesebühne vor den Chorschranken, hinüber. Dabei schleifte Salomons kostbarer Umhang hinter ihm über den Boden. An seinen Stummelfingern glitzerten mehrere goldene Ringe.
    Alle Gespräche verstummten.
    Odo reckte den Kopf. Er entdeckte den Subprior Raban einige Reihen entfernt zu seiner Linken. Raban hatte wie alle anderen den Blick auf den Bischof gerichtet.
    Salomon streckte mit salbungsvoller Geste die Arme aus.
    Auf dieses Zeichen hin begannen die Mönche im Sängerchor einen Psalm anzustimmen, der von den Menschen in der Basilika erwidert wurde. Die Mönche psalmodierten: «Dankt dem Herrn; denn er ist freundlich.»
    Alle anderen – auch Odo – antworteten im Wechselgesang: «Denn seine Gnade währet ewiglich!»
     
    Als der Psalm verklungen war, breitete sich angespannte Stille aus. Salomon stellte sich in Positur und genoss sichtlich die Aufmerksamkeit, die ihm zuteilwurde. Gerade wollte er seine Stimme erheben, als ein donnerndes Geräusch durch die Mauern der Kathedrale drang. Auf dem Dach klapperten die Holzschindeln. An einigen Stellen rieselte Staub herab. Ein kleiner Lehmbrocken landete auf der weißen Spitzhaube des Bischofs.
    Dann erstarb der Donner so plötzlich, wie er gekommen war.
    Salomon räusperte sich und rief: «Brüder des Klosters zum heiligen Gallus! Dies ist für euch und für uns alle ein besonderer Tag. Die Reliquien des Gründerabtes sind heute durch mich überführt worden. Denn wir wollen Otmar heiligsprechen!»
    Der Bischof lächelte. «Und diese Reliquien», fuhr er fort, «sollen von allen Gläubigen in einer neu zu errichtenden Kirche besucht werden können.»
    Ein Raunen ging durch die Menge. Odo konnte die Erleichterung der Mönche spüren. Abt Grimald nickte mühsam beherrscht, wobei er versuchte, sich seine allzu irdische Freude nicht anmerken zu lassen.
    Notkar murmelte an Odos Seite: «Danke, o Herr!»
    Nachdem die Gemeinde weitere Psalmen und Lieder gesungen hatte, beschloss sie den Gottesdienst mit demVaterunser: «Pater noster, qui es in caelis, sanctificetur nomen tuum   …»
    Allmählich lichteten sich die Reihen in der Kathedrale. Die meisten Männer zwängten sich durch das Portal ins Freie. Pilger und Gäste von niederer Herkunft gingen ins Pilgerhaus, während die Adligen sowie der Bischof und sein Gefolge in die Gästehäuser zogen. Die Mönche verließen die Basilika durch den Seiteneingang.
    Odo wartete, bis Raban in seiner Nähe war, und trat dann dem Subprior in den Weg. Raban starrte ihn mit einem Blick an, der scharf war wie eine frisch geschliffene Schwertklinge.
    «Kenne ich dich?», sagte er und zog dabei vernehmlich Luft durch die Hakennase ein, die wie ein Vogelschnabel aus dem hageren Gesicht vorsprang.
    Odo verbeugte sich kurz und nannte seinen Namen. «Vor etwa zwei Jahren habe ich als Peregrinus, als Fremder, Euer Kloster aufgesucht, um die Bücher Eurer berühmten Bibliothek zu studieren.»
    Rabans verkniffener Mund zuckte.
    «Ihr werdet Euch an jenen Tag erinnern», fuhr Odo fort. «Damals verschwand ein Buch aus der geheimnisvollen Lade, die Ihr den Legaten übergeben wolltet.»
    «Du?» Rabans Züge wurden hart wie Stein. «Du warst es, der das Buch entwendet hat?»
    Odo nickte und sagte schnell: «Ich muss Euch in dieser Sache sprechen!»
    «Willst du deine Sünden beichten, Dieb?», zischte Raban. «Du hast ein Verbrechen begangen, das mit dem Tode bestraft werden kann.»
    Rabans Augen fuhren unruhig umher. Er schien vermeiden zu wollen, dass andere das Gespräch bemerkten.Aber die Mönche zerstreuten sich. Niemand nahm Notiz von ihnen.
    Nur Notkar beobachtete sie aus einiger Entfernung mit besorgter Miene.
    Odo sagte: «Wir sollten unser Gespräch an einem ruhigeren Ort fortführen.»
    «Du bist nicht in der Position, mir Anordnungen zu erteilen, Peregrinus!»
    «Dies ist keine Anordnung, sondern eine Bitte, Subprior Raban. Es sollte in Eurem Interesse sein, mit mir zu reden – denn ich habe das Buch zurückgebracht.»
    Rabans Augen funkelten. «Nun gut. Ich erwarte dich nach der Vesper in meiner Zelle. Doch nimm dich in Acht, dass niemand dich bemerkt. Verstanden?»
    Odo nickte. Der Fisch hatte angebissen.
    In der Ferne hallte ein gewaltiger Donner wider.

3.
    Odo streifte durch das Kloster, um sich die Wartezeit bis zur Vesper, dem Abendgebet, zu vertreiben. Als er den Kreuzgang verließ, zog er sich die Kapuze über den Kopf. Es regnete noch immer unvermindert heftig. Im östlichen Bereich des Klosters stieß er

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