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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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    Björn schulterte die Angeln und stapfte zum Noor hinunter.
    Bloß nicht Hovi, dachte Helgi. Wenn der Jarl seine Krieger zum Schuldeneintreiben losschickte, würde es ungemütlich. Dass sie nicht mehr viel Geld hatten, wusste Helgi. Aber dass es so schlimm um sie bestellt war, war ihm neu. Wo hatte Gullweig wohl noch überall Schulden gemacht?
    Gedankenversunken kam er zur Brücke, als er von einer Gruppe von Kriegern eingeholt wurde. Die Männer stürmten an ihm vorbei und drängten ihn von der Brücke. Im letzten Moment konnte sich Helgi mit einem Sprung auf das gegenüberliegende Bachufer retten.
    Nachdem die Soldaten die Brücke überquert hatten, teilten sie sich in drei Gruppen auf. Ihr Anführer war EgilBlóðsimlir, der Hofðingi, der Hauptmann des Jarls. Egil schickte einige der Männer zum Hafen hinunter, andere nach Westen, flussaufwärts am Bachlauf entlang, und die restlichen, deren Leitung er selbst übernahm, verschwanden in südlicher Richtung, in der sich das Sklavenviertel befand.
    Daher beschloss Helgi, einen anderen Weg zur Quelle einzuschlagen. Es erschien ihm sicherer, einen großen Bogen um Egil zu machen.
    Der Hofðingi schien sehr wütend zu sein.

9.
    Die Quelle war nur noch ein Rinnsal.
    Noch vor wenigen Tagen war das Wasser zwischen den Steinen hervorgesprudelt. Nun tröpfelte es nur noch. Wenn es nicht bald regnete, würde die Quelle versiegen, und die Bewohner von Haithabu müssten das faulige Wasser aus dem Noor schöpfen.
    Helgi stellte einen der Eimer zurecht. Da es einige Zeit dauern würde, bis er gefüllt war, ließ Helgi sich auf einem umgekippten Baumstamm nieder und schaute zum spiegelglatten Noor hinüber. Kein Windhauch kräuselte die Wasseroberfläche.
    Plötzlich bildeten sich kleine Wellen. In einer Entfernung von etwa zweihundert Schritt sah Helgi den Fischer Björn, der mit seinem Ruderboot vor einem Schilfgürtel trieb, wo er seine Hechtfallen aufstellte. Dazu bestückte er beidseitig angespitzte Stöckchen mit toten Fischen   – Plötzen, die die Dänen
skálgi
nannten – und warf die an einem Seil befestigten Köder ins Wasser. Das andereSeilende knotete Björn an einem stabilen Ast fest, den er in den Grund rammte. Wenn ein Hecht den Köderfisch fraß und hinunterschluckte, würde sich das Stöckchen im Magen des Räubers quer stellen – und der Fisch hing an der Angel.
    Die Methode ist denkbar einfach, überlegte Helgi. Ich könnte ebenfalls mein Glück versuchen.
    Ein gebratener Hecht wäre eine schöne Abwechslung auf ihrem Speiseplan. Seit geraumer Zeit gab es kaum etwas anderes als bitteres Eichelmehlbrot und zähe Hafergrütze.
    Helgi beschloss, Köderfische zu fangen.
    Er stellte sich mit dem Eimer am Ufer auf, um eine der kleinen Plötzen zu fangen, die im Wasser hin- und herflitzten. Manchmal stießen sie an die Oberfläche, wo sie nach toten Insekten schnappten. Da blitzte es unmittelbar vor seinen Füßen auf. Ein Schwarm der fingerlangen Fische hatte sich bis in den flachen Uferbereich vorgewagt. Helgi hob behutsam den Eimer, um die Fischchen nicht zu verscheuchen. Langsam, ganz langsam beugte er sich über ein halbes Dutzend Plötzen, die im kaum knietiefen Wasser verharrten.
    Helgi visierte sie an und wollte gerade zustoßen, als direkt vor ihm ein faustgroßer Stein ins Wasser plumpste. Sofort stoben die Fische auseinander.
    Helgi wirbelte herum. Wer hatte es gewagt, ihn zu bewerfen? Als er jedoch den Übeltäter erkannte, verflog seine Wut.
    Es war Ingvar.
    Helgis rothaariger Freund trat zwischen den Bäumen hervor. Er grinste verschmitzt aus seinem von Sommersprossen gesprenkelten Gesicht. In der Hand hielt er einenEimer, den er ebenfalls an der Quelle hatte füllen wollen.
    «Jagst du Libellen?», rief er.
    «Nein, eigentlich wollte ich
dir
den Eimer über den Kopf stülpen.»
    Ingvar setzte eine gespielt betroffene Miene auf. «Aber ich bin hier und nicht dort im Wasser. Wenn du mich fangen willst, musst du schon herkommen.»
    Helgi lachte, und sie umarmten sich herzlich. Seit mehreren Wochen hatten sie sich nicht mehr gesehen. Die Jungen kannten sich seit ihrer Kindheit. Sie waren unzertrennlich gewesen und hatten mit ihren Flausen viele Erwachsene zur Weißglut gebracht. Ingvar war genauso alt wie Helgi, aber gut zwei Köpfe kleiner und von sehr viel schmächtigerer Statur. Seine körperlichen Nachteile – ein Junge war in den Augen der Normannen nur ein richtiger Knabe, wenn er bei Raufereien siegreich war – machte Ingvar durch

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