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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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seine Fröhlichkeit und Schlagfertigkeit wett. Und außerdem hatte er ja mit Helgi einen außergewöhnlich kräftigen Freund, der ihn mehr als einmal beschützt hatte.
    Ingvar, der sein Geld als Kammmacher verdiente, war von seiner Mutter allein aufgezogen worden. Seinen Vater hatte er nie kennengelernt. Es hieß, er sei noch vor Ingvars Geburt gestorben. Gullweig hatte allerdings einmal erzählt, Ingvars Mutter habe gar nicht gewusst, wer der Vater sei. Sie sei eine Frau gewesen, die mit vielen Männern ihr Lager geteilt habe.
    Woher Ingvar seine Fröhlichkeit nahm, war Helgi ein Rätsel. Seine Mutter war eine merkwürdige Person gewesen, die es mit Recht und Gesetz nicht sehr genau genommen hatte. Sie war vor einigen Jahren zum Tode verurteiltworden. Angeblich hatte sie einen reisenden Händler bestohlen, einen reichen Franken. Hinter vorgehaltener Hand erzählte man sich aber, der Händler, der mit norwegischen Walrosszähnen sein Geld verdiente, habe der Frau schlicht den Liebesdienst nicht bezahlen wollen. Wie auch immer – die Sache war entschieden worden. Auf Hovis Befehl war Ingvars Mutter vor fünf Wintern in einem mit Steinen beschwerten Holzkäfig im Hafen ertränkt worden. Ingvar hatte niemals mehr ein Wort über seine Mutter verloren.
    Ob er sie geliebt hatte, ob er ihr nachtrauerte – das hatte Helgi nie erfahren.
    Nachdem sein erster Eimer gefüllt war, ließ er Ingvar an der Quelle den Vortritt.
    «Hast du etwas vom Ausgang des Schmiedewettbewerbs gehört?», fragte Helgi.
    «Wieso ich? Wenn ich mich recht erinnere, ist dein Vater selbst ein Schmied und hat sich um den Auftrag beworben. Warum fragst du nicht deinen Alten?»
    Als Helgi von Einars Vollrausch erzählte, konnte Ingvar sich ein Lachen nicht verkneifen.
    «Du hättest ihm einen Eimer Wasser über den Kopf schütten sollen.»
    Helgi nickte missmutig. «Verdient hätte er es. Er hätte Gullweig wenigstens erzählen können, ob er gewonnen hat oder nicht.»
    Ingvar klaubte einen flachen Stein auf und ließ ihn über die Oberfläche des Noors flitschen. «Was machen denn deine Frauen?», fragte er beiläufig, als der Stein nach mehreren Aufsetzern unterging.
    «Was meinst du damit?»
    «War da nicht etwas mit Mardöll, dieser albernen Pute?»
    Helgi verdrehte die Augen. Er hatte gehofft, die Geschichte wäre unbemerkt geblieben. Aber da selbst Gullweig davon erfahren hatte, musste er sich nicht wundern, wenn auch Ingvar Bescheid wusste.
    «Es heißt, du willst sie heiraten», sagte Ingvar.
    Helgi fuhr auf. «Ich   – Mardöll heiraten? Wer erzählt denn so etwas?»
    «Sie selbst. Sie sagt, du würdest ihr den Hof machen. Und du hättest ihre Brüste anfassen dürfen.»
    Helgi wurde schwindelig. Aber schließlich war er ja selbst schuld an der ganzen Geschichte   …
    Wie hatte er nur so dumm sein können, sich mit dieser
syrpa,
dieser Schlampe, einzulassen? Es war im vergangenen Winter beim Julfest gewesen, dem kürzesten Tag des Jahres. Ja sicher, Helgi hatte ein paar Becher Met zu viel getrunken. Viel zu viel! Er war nicht mehr Herr seiner Sinne gewesen. Er hätte nein sagen müssen. Stattdessen hatte er sich von Mardöll in das Haus ihrer Eltern schleppen lassen. Der Met hatte ihn leichtsinnig gemacht. Ehe er sichs versah, lag er auf ihrem Bett und sie auf ihm. Sie hatte ihn beinahe erstickt mit ihren Brüsten, die so groß waren wie mit Dinkelbrei gefüllte Schweinemägen. Letztendlich hatte er es Mardölls Vater, dem Bernsteinschleifer Erik, zu verdanken, dass er sich nicht für ewig unglücklich gemacht hatte. Aus irgendeinem Grund war der Alte gerade noch rechtzeitig von der Julfeier nach Hause gekommen, hatte die beiden erwischt und Helgi aus dem Haus gejagt. Denn wenn Helgi es mit Mardöll getrieben hätte, hätte er sich einer Heirat nur schwer entziehen können. Gesetz war nun mal Gesetz.
    «Wie war’s denn?», fragte Ingvar.
    Helgi schreckte aus seinen Gedanken auf. «Wie war was?»
    «Na, Mardölls Brüste anzufassen?»
    «Hm, eigentlich nicht übel», gestand Helgi ein. «Es fühlte sich an, als ob   … als ob man   … diese wabbeligen, durchsichtigen Wesen anfasst, die manchmal an die Strände des Meeres treiben.»
    Ingvar warf ihm einen verwirrten Blick zu. Helgi begann zu lachen. Dann stimmte auch Ingvar ein, sodass die Sommersprossen auf seinem Gesicht tanzten.
    Als sie sich wieder beruhigt hatten, meinte Helgi: «Warum fragst du mich nach Brüsten? Ich dachte, du kennst dich damit aus.»
    Ingvar, der Helgi

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