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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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seinem Vater in die Werkstatt. Widerwillig verrichtete er seine Arbeit. Er musste an die Gestalt im Umhang denken, die ihm den Weg versperrt hatte. Die Hure Sif hatte gebrüllt, und der Vermummte, sicher war er ein Mann gewesen, hatte gelacht.
    Im Laufe des Tages schmiedeten sie Beilköpfe, Messer-und Schwertklingen. Einar redete nicht viel; er schuftete, schwitzte und hustete. Helgi schwieg.
    Erst als der Abend und mit ihm die Dämmerung kam, lösten sich seine Gedanken von dem schwarzen Mann. Bald würde sich im Nachbarhaus wieder die Tür öffnen.

21.
    Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er war wieder da.
    Rúna verlangsamte ihre Schritte und drehte den Kopf in seine Richtung. Aus den Augenwinkeln sah sie eine Bewegung. Er stand auf und kam ans Fenster.
    Sein Name war Helgi. Das hatte sie den Worten ihres Herrn entnommen. Der Schmied hatte sich im Selbstgespräch über seinen Konkurrenten Einar beklagt. Er war außer sich vor Wut. Es schien sich dabei um einen Auftrag für Waffen zu handeln. Er, Gizur, müsse Nieten, Nägel und Ketten schmieden, während der andere Schwerter herstellen dürfe.
    Ihr Herr war so erzürnt gewesen, dass Rúna befürchtet hatte, er könnte sie totschlagen, wenn sich seine Wut wegen einer Nichtigkeit auf sie richten würde. Aber sie hatte Glück gehabt. Der Schmied war zu sehr mit sich und seinem Ärger über den Nachbarn beschäftigt. Er hatte seine Sklavin überhaupt nicht beachtet.
    Sie sah aus den Augenwinkeln sein Gesicht, musste aber aufpassen, dass sie nicht zu langsam wurde. Gizur könnte sie beobachten. Ein Schritt und noch ein Schritt. Sie glaubte zu sehen, wie Helgi den Mund öffnete und seine Lippen Worte formten.
    Dann war sie am Haus vorbei.
     
    Helgi schaute der jungen Frau hinterher, bis sie aus seinem Blickfeld verschwunden war.
    Ob sie die Figur genommen hatte, während er den Wächter niedergeschlagen hatte? Warum gab sie ihm kein Zeichen? Nur ein Lächeln   …
    Dass sie sich bei ihm bedanken würde, damit rechnete er nicht. Das war zu gefährlich. Nicht auszudenken, wenn Gizur davon Wind bekam.
    Aber warum schenkte sie ihm nicht ein Lächeln, ein winziges Lächeln? Sie wirkte immer so ernst und traurig.
    Helgi sank ernüchtert auf den Schemel zurück. Die Antwort auf seine Frage erschien ihm eindeutig: Sie wollte nichts mit ihm zu tun haben.
    Vielleicht stimmten ja sogar die Gerüchte, die besagten, dass Gizur seine Sklavin zur Frau nehmen würde, wenn sein eigenes Weib erst tot sei. Womöglich war Rúna ihrem Herrn gar nicht so abgeneigt.
    Aber die Menschen redeten viel, wenn der Tag lang war. Sie plauderten auch über Fenriswölfe, die ihre Ketten losrissen und alten Huren Aale ins Maul stopften. Und das alles nur, damit Hovi seinen Krieg abblies.
    Helgi glaubte nicht an diese Geschichten. Er war überzeugt, dass er den Mörder gesehen hatte. Er hatte dieses Lachen gehört. So lachte niemand, der sich für einen Besuch im Badehaus verkleidet hatte.
    Und Helgi glaubte auch nicht, dass sich die Sklavin freiwillig dem buckligen Gizur hingab.
     
    Rúna erreichte die Holzbrücke. In der Ferne tauchten bereits die Umrisse des Sklavenviertels auf. Plötzlich hörte sie hinter sich Schritte.
    Ob ihr Herr sie verfolgte? Einige Male hatte er sie in ein Gebüsch unweit des Gefängnisses gezerrt, um sie dort zu vergewaltigen. Wahrscheinlich hatte ihm die Abwechslung besonderen Spaß bereitet.
    Es erschien ihr wie ein Wunder, dass sie nicht längstschwanger geworden war. In den ersten Wochen hatte sie ständig damit gerechnet. Der Gedanke, ein Kind von ihrem Herrn zu bekommen, war unerträglich. Aber es geschah nichts. Wahrscheinlich konnte er keine Kinder zeugen, schließlich war die Ehe mit seiner Frau auch kinderlos geblieben.
    Die Sklavin beschleunigte ihre Schritte. Sie warf einen vorsichtigen Blick über die Schulter. Die Gasse hinter ihr war leer. Bestimmt hatte sie sich die Geräusche nur eingebildet. Sie war erschöpft, ihr Kopf vom Rauch des Essefeuers in der Schmiede benebelt.
    Auf der Brücke hielt sie kurz inne. Blitzschnell wandte sie sich dem Bach zu und spuckte hinein. Das tat sie jedes Mal, wenn sie sich hier unbeobachtet wähnte. Es war ein Spiel, eine Spinnerei, die das Unerträgliche für einen winzigen Moment erträglicher machte.
    Sie stellte sich vor, wie ihre Spucke in den Fjord gespült wurde. Dann immer weiter bis ins Meer und dann zu der Insel, ihrer Insel. Ihrer Heimat.
    Kurz schloss sie die Augen, um sich nach Hause zu träumen. Sie sah den

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