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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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zu trinken an?»
    Olafs Miene hellte sich schlagartig auf. «Dein Weib hat recht, Schmied. Wenn du mir einen Becher Met spendierst oder auch zwei, dann bist du mich schneller los, als du glaubst. Lass uns zusammen trinken, denn ich muss dir noch etwas erzählen. Deshalb bin ich überhaupt in deine schäbige Hütte gekommen.» Er lachte donnernd.
    Gullweig brachte einen bis an den Rand mit Met gefüllten Becher. Olaf leerte ihn in einem Zug. Er rülpste, lobtedas Getränk und verlangte mehr davon. Einar schickte Helgi aus der Werkstatt. Es würde ein Gespräch unter Männern sein.
     
    Immer wieder lief Gullweig zwischen Schmiede und Küche hin und her, um Olafs schier unendlichen Durst zu stillen. Als Helgi merkte, dass sich das Gespräch hinzog, verließ er das Haus durch den Hintereingang.
    Es war bereits später Nachmittag. Die Sonne brannte unerbittlich vom blauen Himmel. Über den Dächern flimmerte die Hitze. Die Luft war erfüllt vom Gestank der Kloaken. Fliegenschwärme schwirrten umher wie schwarze Wolken.
    Helgi beschloss, sich hinter dem Ziegenstall in den Schatten zu setzen. Als er den kleinen Hinterhof betrat, stieß sein Fuß gegen ein handtellergroßes Stück Holz. Es war auf der einen Seite flach und glatt, auf der anderen borkig. Ein Stück Eichenrinde. Er wollte es gerade auf den Brennholzstapel werfen, als er etwas bemerkte. Es sah aus, als ob jemand etwas auf die glatte Seite gemalt hatte, mit Kohle vielleicht.
    Helgi betrachtete die Rinde eingehend. Es gab keinen Zweifel, die Striche sollten etwas darstellen. Sie waren zu gleichmäßig ausgeführt, als dass sie zufällig daraufgekommen sein konnten.
    Aber was sollte diese Zeichnung darstellen? Helgi drehte und wendete die Rinde, bis er glaubte, in den Linien eine gewisse Struktur erkennen zu können.
    Und dann verstand er. Die Zeichnung zeigte eine Brücke über einem Bach und eine Figur, eindeutig eine weibliche, mit großen Brüsten und langen Haaren.
    Helgi schaute irritiert zum Nachbarhaus hinüber. Imhinteren Bereich, wo sich vermutlich die Küche befand, gab es ein schmales Fenster. Dessen Laden war allerdings immer verschlossen.
    Die Sklavin. Natürlich. Irgendwie musste es ihr gelungen sein, das Fenster zu öffnen und das Rindenstück auf Helgis Grundstück zu werfen.
    Es war eine Botschaft. Was sie ihm damit mitteilen wollte, lag auf der Hand: Sie wollte ihn wiedersehen – an der Brücke. Und er sollte die Holzpuppe mitbringen.
    Die Nachricht konnte noch nicht lange hier liegen. Das letzte Mal hatte Helgi das Haus am Mittag durch den Hintereingang verlassen. Da hatte er noch nichts bemerkt. Das konnte nur bedeuten, dass sie ihn noch heute Abend treffen wollte.
    Helgi hätte am liebsten einen Luftsprung gemacht. Er war außer sich vor Freude, vergessen waren all die Zweifel, die ihn nach ihrem ersten Treffen gequält hatten.
    Sie war interessiert. Sie wollte das Geschenk annehmen. Freyja – die Göttin der Liebenden.
    Doch dann fiel ihm ein, dass er die Figur gar nicht mehr besaß. Er hatte sie vernichtet, hatte sie wütend in die Esse geworfen. Mit Genugtuung hatte er beobachtet, wie die Holzpuppe, an der er viele Tage geschnitzt hatte, verbrannt war. Für einen Augenblick war sie aufgeflammt, dann in sich zusammengefallen. Nur ein Klumpen Asche war zurückgeblieben. Unmöglich würde er bis zum Abend eine neue Göttin herstellen können.
    Doch er hoffte, dass es dem Mädchen nicht nur um die Figur ging. Nein, natürlich nicht. Helgi war sich sicher. Es steckte mehr dahinter! Die Figur war ja auch für ihn nur ein Vorwand gewesen, um mit der Sklavin ins Gespräch zu kommen.
    Er ließ die Nachricht wie einen wertvollen Schatz unter seiner Lederschürze verschwinden. Heute Abend! Er würde auf sie warten.
    Als er in die Küche zurückkehrte, kam ihm Gullweig entgegen. Sie schäumte vor Wut. «Der Kerl hat fast das ganze Fass ausgesoffen. Jetzt können wir zusehen, wo wir neues Met herbekommen.»
    «Ist er noch da?»
    Gullweig schüttelte den Kopf. «Er hat gerade das Haus verlassen. Ohne zu wanken! Jeder andere Mann wäre nach einem Dutzend Bechern Met so betrunken gewesen, dass er nur noch hätte kriechen können. Aber das fette Ungetüm hat es geschluckt wie Wasser.»
    «Und Einar?»
    «Der hat zum Glück nur zwei Becher getrunken.»
    Sie verschwand in der Küche.
    Helgi betrat die Schmiede. Einar stand an der Truhe. Grübelnd betrachtete er die Waffen. Sein Gesicht war von Sorgenfalten zerfurcht.
    «Ich muss mit dir reden», sagte er,

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