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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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überzeugen. Sie brauchten nur das Wort «Geld» zu hören, und schon folgten sie seinen Anweisungen wie dumme Lämmer. Dabei hatte Odo gar nicht vor, den Männern den vollen Lohn zu zahlen, der erst bei Fertigstellung der Kirche fällig werden würde. Zwar besaß er noch Reserven von den Geldern der Gemeindemitglieder, mit denen er die Baumaterialien bezahlte und den Arbeitern hin und wieder einen kleinen Vorschuss gönnte. Aber wenn die Kirche erst einmal eingeweiht und der letzte Dämon vernichtet war, würde Gott alle Ungläubigen ins ewige Feuer verbannen. Und in der neuen Welt Gottes brauchte niemand Geld!
    Um auch noch den letzten Zweifler zu überzeugen,zeigte Odo auf Ulf und sagte: «Und dieser Mann hier soll euer Vorarbeiter sein!»
    Es dauerte keine halbe Stunde, bis auf der Baustelle wieder die Geräusche der Hämmer und Äxte erklangen.
    Odo war zufrieden. Er hatte nicht nur alle Arbeiter behalten, sondern auch Egil Blóðsimlir die Stirn geboten. Der Hauptmann hatte, ohne es zu wissen, Odo zwei große Dienste erwiesen. Zum einen hatte der Bluttrinker das Problem mit dem Querulanten Arculf erledigt. Und zum anderen hatte er Odo einen weiteren Dämon an die Hand geliefert.
    Wie war noch der Name dieses Wahnsinnigen gewesen? Draupnir? Ja, Draupnir.
    Der Hüne war der leibhaftig gewordene Zorn. Odo würde so schnell wie möglich alle Vorkehrungen treffen müssen, um ihn zu töten. Um den fünften Dämon zu vernichten.

24.
    Sie hatte eine große Dummheit begangen, die sie nun zutiefst bereute.
    Drei Nächte war es her, seit sie Helgi die Holzfigur zurückgegeben hatte. An jedem der vergangenen Abende war sie mit klopfendem Herzen am Nachbarhaus vorbeigegangen, aber das Fenster war immer verschlossen gewesen. Er hatte nicht auf sie gewartet.
    Wunderte sie sich darüber? Nein, natürlich nicht. Sie hatte es sich selbst zuzuschreiben. Wie anders hätte er ihre Geste denn verstehen sollen, als dass sie sein Geschenk und damit ihn abgewiesen hatte?
    Dabei wollte sie nur nicht, dass er sich Hoffnungen machte. Sie war eine Sklavin. Sie gehörte ihrem Herrn. Wie konnte er das nur vergessen?
    «Pass doch auf, Weib!»
    Sie zuckte zusammen. Gizur hatte die Küche betreten. Sie war gerade damit beschäftigt, Getreide zu mahlen, um Brot zu backen. Jetzt stand der Schmied hinter ihr und hatte gesehen, wie sie das Mehl verschüttet hatte. Rasch kehrte sie es mit den Händen zusammen und tat es in einen Eimer. Dann ließ sie eine Handvoll Weizen in das Loch des Mühlsteins rieseln und begann damit, den Stein zu drehen. Aber die Anwesenheit ihres Herrn, der jeden ihrer Handgriffe beobachtete, machte sie so nervös, dass der obere Stein sich verkantete. Getreide und Mehl rieselten aus der Mühle.
    Sie erstarrte.
    Der Schmied atmete vernehmlich aus. Er beugte sich zu ihr herunter. Seine Lippen waren ganz dicht an ihrem Ohr, als er zischte: «Ich habe dich gewarnt.»
    Dann richtete er sich wieder auf. «Scher dich zu der Alten. Sie stinkt.»
    Rúna wischte sich die mit Mehlstaub verschmierten Hände an der Tunika ab. Dann ließ sie den Schmied in der Küche allein, wo er sich wie jeden Morgen an die Zubereitung des Tranks machte. Er behauptete, es sei eine Medizin, die er seiner Frau gegen ihre Schmerzen verabreichen müsse. Das Gebräu bestand aus Bilsenkraut, getrockneten Pilzen und anderen Dingen, die die Sklavin jedoch nicht kannte.
    Die alte Frau lag regungslos auf einem mit Reisig gepolsterten Lager. Die Schlafkammer wurde vom Schein glimmender Holzscheite matt erhellt. Rúna streute Zweigeauf die Glut und fachte das Feuer neu an. Dann ließ sie sich neben der Frau nieder.
    Ein Schauer lief der Sklavin über den Rücken. Die Alte bot einen schrecklichen Anblick. Herkias Augen waren weit geöffnet und starr auf die Decke gerichtet. Aus ihren Mundwinkeln tropfte Speichel. Rúna betrachtete das eingefallene Gesicht, aus dem die Wangenknochen hervorstachen, als ob sie sich durch die fahle Haut bohren wollten. Die Frau war so runzlig, dass sie aussah wie ein verschrumpelter Apfel.
    Früher schien sie sehr schön gewesen zu sein. Als Rúna zum ersten Mal das Haus betreten hatte, war Herkia zwar schon bettlägerig, aber ihre anmutigen Gesichtszüge waren noch deutlich zu erkennen, ihre Haare voll und blond gewesen. In den vergangenen Monaten hatte sich ihr Zustand jedoch rasch verschlechtert. Es schien nur noch eine Frage weniger Tage zu sein, bis sie ihren Lebenswillen endgültig verlieren würde.
    Sie streichelte Herkias

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