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Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
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seiner Rache. Unzählige Sterne funkelten. Irgendwo da oben saß Odin auf seinem Thron in der Walhalla von Asgard und beobachtete Helgi.
    Die Tür des Nachbarhauses stand einen Spalt weit offen. Im Vorgarten lag ein Fass. Helgi dachte sich nichts dabei. Er trat die Tür auf und gab sich keine Mühe, leise zu sein. Der Mörder sollte ihn ruhig hören.
    Es war das erste Mal, dass er das Haus des verfluchten Kryppa betrat. Er leuchtete die Werkstatt mit der Lampeaus, sah eine Esse, einen Amboss, das Tauchbecken für die glühenden Werkstücke. Die Tür zum Raum dahinter war geschlossen. Einars und Gizurs Haus waren von gleicher Bauweise. Helgi vermutete, dass der Mörder in der Schlafkammer war.
    Als er durch die Schmiede ging, stießen seine Füße immer wieder gegen Gegenstände, die auf dem Boden herumlagen. Er senkte die Lampe und hielt den Atem an. Die Eisenbarren. Es waren Dutzende.
    Helgi umklammerte den Axtstiel und trat so fest gegen die Tür, dass sie aus den Angeln brach. Holz splitterte. Mit einem dumpfen Krachen fiel die Tür in den anderen Raum.
    Noch immer war kein Geräusch zu hören. Schlief der Kryppa so fest, dass er nichts hörte?
    Es gab zwei Schlafpodeste, eines links und eines rechts von der Tür. Dazwischen führte ein Gang in die Küche. Auf einem der breiten Betten lag eine Frau, das andere war leer. Helgi stieß einen Fluch aus. Der Kryppa war nicht hier.
    Er beugte sich über die Frau und beleuchtete ihr Gesicht. War das etwa Herkia? Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Augen tief in den Höhlen versunken. Ihr Körper bestand nur noch aus Haut und Knochen. Er berührte sie, um festzustellen, ob sie noch lebte. Die Haut war warm. Er hatte Herkia als schöne Frau gekannt, lebenslustig und fröhlich war sie gewesen.
    Dieses Wesen jedoch war nur noch ein Schatten jener Frau, die Helgi gekannt hatte.
    Er schüttelte sie, und nach einer Weile schlug sie die Augen auf.
    «Wo ist Gizur?», herrschte Helgi sie an.
    Herkias Blick war ausdruckslos.
    «Wo ist er?»
    Ihr Kopf fiel auf die Seite.
    Helgi ging zurück in die Werkstatt, um auf den Mörder zu warten. Irgendwann musste Gizur schließlich zurückkehren. Mit Blick auf die geöffnete Eingangstür lehnte sich Helgi an den Amboss. Sobald Gizur das Haus betreten würde, würde Helgi ihm den Schädel spalten. Er wollte Vergeltung.
    Nach einer Weile hörte er von draußen ein Geräusch, das klang, als ob sich jemand an der Tür zu schaffen machte. Helgi pustete die Tranlampe aus und hob die Axt. In dem Spalt erschien eine Hand, die vorsichtig die Tür aufdrückte. Helgi bemerkte die kleinen Finger, die viel zu dünn waren, um dem Schmied zu gehören.
    «Helgi?»
    Es war Gullweigs Stimme.
    Helgi richtete sich auf. «Geh nach Hause, Mutter.»
    Sie trat ein. «Wo bist du? Ich kann nichts erkennen.»
    «Mutter – geh!»
    «Helgi, es brennt.»
    Mit einem Satz war er bei seiner Mutter. «Was sagst du da?»
    «Ein Feuer! Bei den Sklaven.»
    Er drängte an ihr vorbei in die Gasse und sah sofort den hellen Schein, der in südlicher Richtung über den Dächern der Stadt schimmerte. Das Feuer im Sklavenviertel musste gewaltig sein.

31.
    Rúna hatte in der Baracke Zuflucht gesucht.
    Sie schmiegte sich in die Arme einer Frau, deren Name Warba lautete. Als sie nach Haithabu gekommen war, hatte Warba sich ihrer angenommen. Sie gehörte einem Ledergerber, dessen Haus zu klein war, als dass die Sklavin dort hätte leben können.
    Rúna weinte stumm.
    «Was hat sie?», fragte ein Sklave, der in der Nähe saß.
    Warba zuckte mit den Schultern und streichelte das Mädchen.
    Der Sklave hielt ihr einen Kanten hartes Brot hin. «Mehr gibt mir mein Herr nicht. Mein Magen knurrt zwar wie ein Bär, aber Rúna scheint es nötiger zu haben.»
    Warba brach dankend das Brot in zwei Hälften und gab eine dem Sklaven zurück.
    Da flog plötzlich die Barackentür auf. Feng, der Sklavenhalter, stürmte herein, an seiner Seite zwei seiner Wächter. Sie schwenkten Fackeln und trieben damit die beim Eingang hockenden Sklaven auseinander.
    «Wo ist die Stumme? Diese Rúna?», brüllte Feng.
    Rúna krallte ängstlich ihre Finger in Warbas Tunika, und die ältere Frau breitete schnell eine Leinendecke über ihr aus, sodass Rúna darunter verborgen war.
    «Her mit dem Weib!», rief Feng. «Ihr Herr verlangt nach ihr.»
    Gizur torkelte in den Raum und funkelte Feng an. «Wo ist sie?», zischte der Kryppa.
    Feng machte ein ratloses Gesicht. «Vorhin habe ichdeine Sklavin noch gesehen. Sei

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