Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der Sünden

Das Buch der Sünden

Titel: Das Buch der Sünden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel S. Meyer
Vom Netzwerk:
dem rechten Fuß gegen einen weichen Widerstand. Er schaute hinunter, konnte jedoch in dem dichten Qualm nichts erkennen. Vorsichtig kniete er nieder. In seinem Kopf drehte sich alles. Nur noch wenige Augenblicke, und er würde das Bewusstsein verlieren. Wie ein Blinder betastete er mit der freien Hand das Hindernis. Es war ein lebloser Körper. Rúna? Er bekam einen Armzu fassen, erhob sich, schleifte den Körper hinter sich her zu der Stelle, an der die Wand eingebrochen war – und trat ins Freie.
    Als Helgi mit der jungen Frau aus den Flammen kam, warfen die Sklaven die Eimer fort und eilten den beiden zu Hilfe. Sie nahmen Rúna und legten sie vorsichtig auf dem Boden ab.
    In Helgis Kopf drehte sich alles. Der giftige Rauch in seinen Lungen raubte ihm das Bewusstsein, und er fiel der Länge nach zu Boden wie eine gefällte Eiche. Ihm war, als stürze er hinab ins Hel, wo der Totendrache Nidhöggr ihn erwartete.
     
    Wasser klatschte in sein Gesicht.
    Er öffnete die Augen. Verschwommen sah er die Sterne am Nachthimmel leuchten. Jemand rüttelte ihn. Eine Stimme sprach in sein Ohr: «Komm zu dir, Junge. Beeil dich. Wach auf!»
    Die Erinnerungen kehrten zurück. Unter seiner Schädeldecke hämmerten pochende Schmerzen. Helgi schnellte hoch. Er hatte die Sklavin gerettet. Jetzt gehörte Rúna ihm!
    Aber er konnte sie nirgendwo entdecken. Um ihn herum waren nur die Gesichter der ausgemergelten Sklaven, hohläugig und rußverschmiert. Noch immer qualmte die Baracke, deren Dach und Wände zusammengefallen waren. Nur noch die seitlichen Stützbalken steckten aufrecht in der Erde, kleine Flammen leckten am schwarzen Holz. Niemand bemühte sich mehr, sie zu löschen. Das Feuer hatte gesiegt.
    Eine Frau trat neben Helgi. Er erkannte die Alte wieder, die ihn auf Rúna aufmerksam gemacht hatte. «Das Haus isteingestürzt, nur wenige Augenblicke, nachdem du Rúna rausgeholt hast.»
    «Wo ist sie?», fragte Helgi. Das Reden fiel ihm schwer. Sein Hals brannte wie eine offene Wunde.
    Die Alte deutete auf das Haus der Wächter. «Ihr Herr hat sie geholt.»
    «Der Kryppa?»
    «Ja, ein buckliger Mann. Wir konnten ihn davon abhalten, mit dem Mädchen zu fliehen. Aber er ist in Fengs Haus verschwunden.»
    Helgi erhob sich mühsam und schaute sich suchend nach seiner Axt um.
    «Wenn du das Beil suchst», meinte die Frau, «das hat der Bucklige auch mitgenommen.»
    Helgi fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht und ging zu den Sklaven, die unschlüssig auf dem Hof standen. Es mochten gut zwei Dutzend sein, Männer, Frauen und Kinder. Sie wirkten bedrückt und ratlos. Einer von ihnen sprach die alte Frau an, mit der Helgi geredet hatte. Er hörte, dass sie Warba hieß.
    «Wie viele Männer sind in Fengs Haus?», wollte Helgi von ihr wissen.
    «Sechs: Feng, vier Wächter und der Bucklige.»
    «Sind sie bewaffnet?»
    «Mit Schwertern. Aber bestimmt haben sie auch Äxte und Messer.»
    Helgi nickte düster. Sechs Männer mit Waffen gegen einen einzigen mit bloßen Händen. Doch er hatte keine andere Wahl. Er musste Rúna aus Gizurs Gewalt befreien, und dabei hatte er das Gesetz auf seiner Seite, denn ihr Herr hätte sie sterben lassen. Helgi aber hatte sie gerettet, und damit gehörte sie ihm.
    Vor dem Tor hatten sich Dutzende Schaulustige aus Haithabu versammelt, die neugierig in den Hof spähten. Es würde nicht mehr lange dauern, bis Hovis Soldaten auftauchten.
    Helgi ballte die Hände zu Fäusten und ging auf das Haus zu.
    «Warte», rief Warba.
    Auf ihre Anordnung hin sammelten die Sklaven Hölzer und Knüppel auf. Einige griffen nach faustgroßen Steinen. Kurz darauf setzte sich die Gruppe in Bewegung. Helgi übernahm die Spitze, dahinter folgte Warba, dann kamen die anderen Sklaven.
    Aus Fengs Haus drang kein Geräusch. Die Tür war geschlossen, doch als Helgi am Griff zog, ließ sie sich ohne weiteres öffnen.
    Leise gebot er den anderen, ihn allein hineingehen zu lassen.
     
    Hinter der Tür befand sich ein langer saalartiger Raum. Feng und seine Männer hockten im Halbdunkel um die glimmenden Reste des Hausfeuers herum und starrten in die Flammen. Die Waffen hatten sie neben sich auf den Boden gelegt.
    Feng hob seinen Blick. Er sah müde aus. «Was willst du hier, Junge?»
    «Ich will die Sklavin holen», erwiderte Helgi.
    Feng zuckte mit den Schultern. «Das Weib gehört dir nicht.»
    «Ich habe ihr das Leben gerettet, sie wäre verbrannt», entgegnete Helgi entschlossen. «Du kennst das Gesetz. Wer einen Sklaven vor dem Tod

Weitere Kostenlose Bücher