Das Buch der Toten
Interesses gerückt. Es schien alles nicht so recht zueinander zu passen. Dann dachte ich an den Kitt, der das Ganze zusammenhielt.
John G. Broussards Hilfe beim Vertuschen des Ingalls-Mordes ließ darauf schließen, dass er Verbindungen zu den Cossacks und vielleicht zu den Larners hatte. Walt Obey war einer der wichtigsten Förderer des Polizeichefs. Vielleic ht hatte Broussard sie alle zusammengebracht und sich zusätzlich zu den Beteiligungen für seine Frau und seine Tochter noch einen dicken, fetten Finderlohn verdient. Hatte der Polizeichef die Zahlung einer beträchtlichen Summe vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen? Bei Obeys zahlreichen Firmenbeteiligungen wäre es ein Leichtes gewesen, eine Bargeldzahlung zu kaschieren.
Bestechung. Leistung und Gegenleistung. Trotz all seiner Macht und seines Status war John G. Broussard immer noch ein städtischer Beamter, dessen Bezüge allein ihm niemals erlaubt hätten, sich über das Niveau des gehobenen Mittelstands zu erheben. Wie viel mehr war da drin, wenn er bei den ganz großen Jungs mitspielte.
Ich malte mir den Deal aus: für Walt Obey die Rettung seines Traums, für die Cossacks und die Larners ein gewaltiger Sprung nach oben auf der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stufenleiter, von Einkaufszentren und Parkplätzen zu einem wahrhaft monumentalen Projekt. Und für Polizeichef Broussard und die Herren Stadträte schlicht und einfach Geld. So viel stand auf dem Spiel. Und jetzt hatte Milo es in der Hand, die ganze Konstruktion in tausend Stücke zu schlagen.
27
»Interessante Theorie«, sagte Milo. »Meine Überlegungen gingen in die gleiche Richtung, nur dass mir Obeys Körpersprache an dem Abend eher nach Spender als nach Spendenempfänger auszusehen schien. Bazille und Hörne haben sich ganz schön an ihn rangeschleimt.«
»Bazille und Hörne würden so oder so als Bittsteller auftreten müssen«, sagte ich, »denn ihr politisches Überleben hängt von den großen Tieren ab. Und Obey ist schon lange das Alphatier für die hiesigen Politiker. Aber du hattest noch nie Gelegenheit, ihn mit den Cossacks zusammen zu beobachten.«
»Nein«, gab er zu.
Wir saßen an seinem Küchentisch. Ich hatte mir während der letzten Stunde das Hirn darüber zermartert, wie ich wieder mit Robin ins Reine kommen könnte, und hatte schließlich noch einmal versucht, sie im Hotel zu erreichen. Sie war nicht im Zimmer. Als ich Milo anrief, war er gerade auf dem Rückweg von der Hall of Records, die Brieftasche voll mit Fotokopien. Er hatte die Grundsteuerdateien durchkämmt und insgesamt vierzehn Billighotels in der Pennergegend von Downtown ausfindig gemacht, die vor zwanzig Jahren in Betrieb gewesen waren, jedoch keines im Besitz der Cossacks oder eines der anderen Beteiligten.
»Nun ja, einen Versuch war's wert.« Ich überflog noch einmal die Steuerliste, die er zwischen uns ausgebreitet hatte. Da sprang mir plötzlich ein Name ins Auge. Eine Gruppe von drei Hotels in der Central Avenue, das Excelsior, das Grande Royale und das Crossley; Eigentümer: Vance Coury und Partner.
»Ein Junge namens Coury war in der Highschool-Clique von Brad Larner und den Cossacks«, sagte ich. »Sie waren alle im selben Club, der sich ›King's Men‹ nannte.«
»Coury«, sagte er. »Nie gehört.«
Er holte seinen Laptop aus dem Waschküchen-Arbeitszimmer. Eine Suche erbrachte drei Treffer zu zwei verschiedenen Männern mit Namen Vance Coury. Ein elf Jahre alter Times-Artikel befasste sich mit einem Vance Coury, 61, aus Westwood, der als Miethai vor Gericht stand. Coury wurde beschrieben als »Eigentümer mehrerer abbruchreifer Häuser in den Bezirken Downtown und Westlake, der es trotz mehrmaliger Aufforderung versäumt hat, zahlreiche Verstöße gegen Bau und Sicherheitsvorschriften zu beheben.« Ein Jahr vor dieser Anklage hatte sich Coury bereits wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht verantworten müssen und war von einem fantasievollen Richter dazu verurteilt worden, zwei Wochen lang in einem seiner eigenen Häuser zu wohnen. Daraufhin hatte er eine einzelne Wohnung innerhalb von zwei Tagen renovieren lassen und sich dort unter dem Schutz einer bewaffneten Leibwache häuslich eingerichtet. Aber Courys Sympathiequotient war dadurch selbstverständlich nicht gestiegen, und der Richter hatte allmählich die Geduld verloren. Ein drei Wochen später erschienener Folgebeitrag vermeldete, dass Coury einem Strafprozess nur dadurch entgangen sei, dass er in der Kanzlei seines
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