Das Buch der Toten
gegessen als er von seiner und das war noch nie vorgekommen.
Während des Fluges nach L. A. döste er. Als wir wieder in meinem Seville saßen, sagte er: »Dass wir Melinda ausfindig gemacht haben, war ein Fortschritt, was das Motiv, die Mittel und die Gelegenheit zur Tat betrifft. Aber was, zum Teufel, habe ich davon, wenn ich nicht weiß, wo ich meine Verdächtigen suchen soll? Wenn ich wetten sollte, würde ich auf Willie Burns tippen, der irgendwo in einem anonymen Grab vermodert. Das große Geld hinter Caroline wird in ihm eine Bedrohung gesehen haben, und selbst wenn sie ihn nie erwischt haben, war da immer noch seine Heroinsucht. Und die verrückte Caroline ist vielleic ht auch tot oder irgendwo in einem Versteck zwischen den Bahamas und Belize. Selbst wenn ich sie aufspüren sollte, was könnte ich denn beweisen? Sie würden einen deiner Kollegen auffahren, und im Nu wäre sie wieder in irgendeiner Gummizelle.«
»Klingt düster«, sagte ich.
»Du bist mir vielleicht ein Therapeut.«
»Das ist Realitätstherapie.«
»Die Realität ist der Fluch der Normalen.«
Ich fuhr den Sepulveda Boulevard entlang Richtung Venice, dann auf der Motor Avenue Richtung Süden, vorbei an Achievement House.
»Von wegen feinsinnig«, sagte er.
»Es ist eine Abkürzung.«
»Es gibt keine Abkürzungen. Das Leben ist öde und brutal… Kann nicht schaden, sich diese Pensionen mal anzuschauen. Wenigstens etwas, was ich tun kann, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Aber ich erwarte mir nichts davon. Und bring du dich nicht in Schwierigkeiten, weil du denkst, du könntest meine Schlachten für mich schlagen.«
»Was meinst du mit Schwierigkeiten?«
»Alles Mögliche.«
Robin hatte eine Nachricht auf meinem Anrufbeantworter hinterlassen. Sie klang gehetzt und distanziert. Der Tross war nach Vancouver weitergezogen, und sie wohnte im Pacific Lodge Hotel. Ich wählte die Nummer und hatte gleich ihr Zimmer dran. Eine fröhliche Männerstimme meldete sich.
»Sheridan«, sagte ich.
»Ja?«
»Ich bin's, Alex Delaware.«
»Oh. Hallo. Ich hole schnell Robin.«
»Wo ist sie?«
»Im Bad.«
»Wie geht's meinem Hund?«
»Äh… prima«
»Ich frage nur, weil Sie sich so gut mit ihm zu verstehen scheinen. Sie hatten ja sogar einen Hundekuchen für ihn parat. Sehr intuitiv.«
»Er.., ich mag Hunde.«
»Wirklich?«
»Ja, wirklich.«
»Na, das finde ich aber prima.« Schweigen. »Ich hole Ihnen Robin an den Apparat.«
»Ja, danke«, sagte ich. Aber er hatte den Hörer schon weggelegt, und ich redete ins Leere.
Einige Augenblicke später meldete sie sich. »Alex?«
»Hallo«, sagte ich.
»Was ist denn los?«
»Was soll denn los sein?«
»Sheridan sagt, du klingst verärgert.«
»Sheridan muss es ja wissen«, sagte ich. »Wo er doch so ein sensibler Typ ist.«
Pause. »Was ist los, Alex?«
»Nichts.«
»Es ist nicht nichts«, sagte sie. »Du wirst von Anruf zu Anruf…«
»Unsensibler?«, unterbrach ich sie. »Im Gegensatz zu, du weißt schon wer?«
Längere Pause. »Das ist doch nicht dein Ernst.«
»Was?«
»Das mit ihm.« Sie lachte.
»Freut mich, dass ich dich zum Lachen bringe.«
»Alex«, sagte sie, »wenn du wüsstest, ich glaube das einfach nicht. Was ist bloß in dich gefahren?«
»Schwierige Zeiten bringen immer das Beste in mir zum Vorschein.«
»Wie kannst du so was überhaupt nur denken?« Sie lachte wieder, und das war wahrscheinlich der Auslöser für mich.
»Der Kerl kreuzt mit einem verdammten Hundekuchen bei uns auf«, sagte ich. »Ich will dir mal was verraten, Schatz: Männer sind Schweine. Solche altruistischen Gesten sind nie reiner Selbstzweck-«
»Das ist doch absolut lächerlich«
»Wirklich? Jedes Mal, wenn ich dich anrufe, ist er da«
»Alex, das ist doch absurd«
»Okay, gut. Tut mir Leid.« Aber in meiner Stimme lag keine Spur von Reue, und das wusste sie auch.
»Was ist in dich gefahren, Alex?«
Ich dachte darüber nach. Und dann wallte plötzlich die Wut in mir auf und schnürte mir die Kehle zu, und im nächsten Moment war es raus: »Ich denke, ich habe ein bisschen Nachsicht verdient, wenn ich auf solch absurde Gedanken komme. Als du mich das letzte Mal verlassen hast, war das auch nicht so toll.« Stille.
»Oh… Alex.« Bei meinem Namen versagte ihr die Stimme. Mein Unterkiefer verkrampfte sich.
Sie sagte: »Ich halt das nicht aus.«
Und legte auf.
Ich saß da mit einem perversen Gefühl der Befriedigung, mit leerem Kopf und einem Mund voller Galle. Und dann setzte dieses
Weitere Kostenlose Bücher