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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hochtoupiertes brünettes Haar, breites, freundliches Gesicht. Und sie war auch genau so gekleidet, sie trug ein pinkfarbenes, gepunktetes Kleid mit Puffärmeln und Rüschenkragen. Wann immer Milo ihr begegnet war, stets hatte sie etwas ähnlich Unpassendes mit Rüschen getragen, und stets in diesem Pink, in dem sie wie ein überdimensioniertes Stück Seife aussah.
    Er hatte nicht damit gerechnet, dass sie ihn wiedererkennen würde, aber sie sagte sofort: »Detective S.! Das ist ja eine Ewigkeit her! Warum haben Sie mir so lange keine Kundschaft mehr gebracht?«
    »Ich verbringe heutzutage nicht mehr so viel Zeit mit den Lebenden, Reverend«, antwortete Milo. »Bin schon ziemlich lange bei der Mordkommission.«
    »Du liebe Zeit«, meinte Glenda Stephenson. »Und wie ist die Arbeit so?«
    »Sie hat auch ihre guten Momente.«
    »O ja, da bin ich sicher.«
    »Und wie läuft's in der Seelsorgebranche?«
    Glenda grinste breit. »Uns geht nie die Arbeit aus.«
    »Bestimmt nicht.«
    »Setzen Sie sich doch«, sagte Glenda Stephenson. »Ein Tässchen Kaffee?«
    Milo konnte weder eine Kanne noch eine Kaffeemaschine sehen. Nur eine Spendenbüchse auf dem Schreibtisch, daneben ein Stapel Papiere, die wie behördliche Formulare aussahen. Spontan griff er in seine Tasche, fand einen Schein und stopfte ihn in die Büchse.
    »Ach, das ist doch nicht nötig«, sagte Glenda.
    »Ich bin katholisch«, erwiderte Milo. »Wenn man mich in eine klerikale Umgebung versetzt, erwacht in mir sofort der Drang zu spenden.«
    Glenda kicherte wie ein kleines Mädchen. Aus irgendeinem Grund klang es nicht so albern, wie man es bei diesem Pfannkuchengesicht erwartet hätte. »Nun, dann dürfen Sie ruhig öfter mal hereinschauen. Bedarf haben wir immer im Überfluss. Also… Edgar sagte, es handelt sich um eine Privatangelegenheit?«
    »In gewisser Weise«, antwortete Milo. »Dienstlich und privat zugleich, was ich damit sagen will, ist, dass es unter uns bleiben muss.«
    Glenda beugte sich vor, und ihre Brüste wischten über die Schreibtischplatte. »Aber gewiss doch. Was ist denn Ihr Problem, mein Bester?«
    »Es geht nicht um mich«, sagte Milo. »Nicht direkt jedenfalls. Aber ich arbeite da zurzeit an einem ziemlich… heiklen Fall. Dabei ist ein gewisser Name aufgetaucht, und ich bin auf eine Verbindung zwischen dieser Person und der Mission gestoßen.
    Vance Coury.«
    Glenda lehnte sich so heftig zurück, dass ihr Stuhl knarrte.
    »Der Sohn oder der Vater?«
    »Der Sohn.«
    »Was hat er getan?«
    »Sie scheinen nicht überrascht.«
    Im Ruhezustand war Glendas Gesicht völlig faltenfrei, nichts glättet und strafft die Haut so gut wie Fett. Aber jetzt tauchten überall kleine Sorgenfáltchen auf, an den Mundwinkeln, um die Augen und auf der Stirn.
    »Ach du liebe Zeit«, sagte sie. »Könnte das irgendwelche negativen Auswirkungen auf die Mission haben?«
    »Das kann ich mir nicht vorstellen. Ich würde nie irgendetwas tun, das Sie in eine missliche Lage bringen könnte, Reverend.«
    »Oh, das weiß ich doch, Milo. Sie waren schon immer der Netteste von allen. Haben sich während Ihres Streifendienstes die Zeit genommen, uns die Betrübten und Beladenen zu bringen. Wie Sie die armen Kerle gestützt haben, wie Sie… sich um sie gesorgt haben.«
    »Ich habe doch nur versucht, auf den Straßen für Ordnung zu sorgen, und Sie waren nun mal da. Ich fürchte, ich habe nicht viel von einem Seelsorger an mir.«
    »Oh, ich glaube, da irren Sie sich«, entgegnete Glenda. »Ich bin sicher, dass Sie einen wunderbaren Priester abgegeben hätten.«
    Milos Gesicht glühte. Jetzt wurde er doch tatsächlich rot, unglaublich.
    Glenda Stephenson fuhr fort: »Coury, der Sohn… Fred und ich hatten schon unsere Bedenken, als wir die Schenkung annahmen. Denn, wissen Sie, wir sind ja richtig alte Hasen, wir beide, sind schon seit Urzeiten hier, und wir haben seinen Vater nur zu gut gekannt, hier im Armenviertel weiß jeder über den alten Coury Bescheid.«
    »Ein Immobilienhai.«
    »Ein Immobilienhai und ein Geizkragen, nie hat er uns auch nur einen Heller gespendet, und Sie können mir glauben, Milo: Wir haben ihn darum gebeten. Deswegen waren wir auch so schockiert, als wir wenige Monate nach seinem Tod einen Brief bekamen, in dem uns der Anwalt des Sohnes darüber informierte, dass er das Hotel der Mission zur Schenkung machen wollte. Ich fürchte, unsere erste Reaktio n war, dass uns ziemlich unchristliche Gedanken durch den Kopf gingen.«
    »Zum Beispiel: Wo ist

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