Das Buch der Toten
der Haken bei der Sache?«, sagte Milo.
»Genau. Der Vater… nein, ich will über Tote nichts Schlechtes verbreiten, aber so viel darf ich doch sagen, dass Nächstenliebe nicht gerade seine Stärke zu sein schien. Und dann waren da die Leute, die er für sich arbeiten ließ. Sie hatten unseren Männern immer schon das Leben schwer gemacht. Und der Sohn hat sie weiter beschäftigt.«
»Was waren das für Leute?«
»Zornige junge Männer aus East L. A.«, antwortete Glenda.
»Von welcher Gang?«, fragte Milo.
Sie schüttelte den Kopf. »Man bekommt so das eine oder andere mit. Eighteenth Street, die mexikanische Mafia, Nuestra Familia. Ich weiß es wirklich nicht. Aber wer sie auch waren, wenn sie auf der Straße auftauchten, haben sie unsere Männer immer eingeschüchtert. Haben sich vor ihnen aufgebaut, sind mit ihren Autos vorbeigefahren. Manchmal sind sie ausgestiegen und haben Geld verlangt, haben die Männer bedroht.«
»Mit körperlicher Gewalt?«
»Ab und zu hat jemand schon mal einen Schlag oder einen Stoß abbekommen. Aber es war überwiegend psychologische Einschüchterung, Blicke, Drohungen, verbales Imponiergehabe.
Sie waren wohl überzeugt, dass es ihr gutes Recht sei, es war ihr Revier. Mr. Coury, der Vater, hatte sie als Mieteintreiber engagiert. Als der Sohn uns das Haus angeboten hat, war unsere erste Bitte an ihn, er solle seiner Truppe sagen, dass sie die Finger von unseren Männern zu lassen hätten. Wir gingen nämlich davon aus, dass er die anderen Hotels behalten wollte, und wir wollten nicht solche Zustände vor der Haustür haben. Sein Anwalt meinte, das sei überhaupt kein Problem, da Coury die Häuser abreißen und an ihrer Stelle Parkplätze anlegen lassen wollte. Es ging dann schließlich alles ohne Komplikationen über die Bühne. Unser Anwalt hat mit seinem Anwalt gesprochen, die Papiere wurden unterzeichnet, und das war's auch schon. Fred und ich waren gespannt, ob er nicht doch irgendwelche Hintergedanken hatte, aber wie unser Anwalt uns erklärte, hatte der Sohn ein Problem mit der Erbschaftssteuer, und das Grande Royale könne so bewertet werden, dass es auch in seinem Interesse sei.«
»Es wurde zu hoch bewertet?«
»Nein«, erwiderte Glenda. »Da hätten Fred und ich nicht mitgemacht. Wir haben sogar Einsicht in die aktuellen Wertermittlungen verlangt, und es war alles im grünen Bereich. Das Grande Royale war etwa doppelt so viel wert wie die beiden anderen Hotels zusammen, also kam es den steuerlichen Bedürfnissen des Sohnes offenbar sehr entgegen, es abzugeben. Es war nicht das Einzige, das er abgestoßen hat. Der Vater hatte jede Menge Immobilien. Aber die drei Hotels hatte er bei irgendeinem Handel mit dem Wohnungsbauamt im Paket erworben, und indem er das Royale weggab, ging alles genau auf.«
»Und so hat Coury also Gottes Werk getan«, meinte Milo.
»Komisch, nicht wahr? Der Vater hat schnöden Mammon angehäuft, indem er die Armen unterdrückte und ausbeutete, und nun kann wenigstens ein Teil seines Profits dazu verwendet werden, den Armen auf die Beine zu helfen.«
»Ein Happy End, Reverend. Das kommt nicht allzu oft vor.«
»Aber ja doch, Milo. Sie müssen nur richtig hinsehen.«
Er plauderte noch ein wenig mit ihr, stopfte ihren Protesten zum Trotz noch mehr Geld in die Spendenbüchse und verabschiedete sich.
Vance Coury hatte sein Versprechen gehalten, die bösen Buben von der Mission fern zu halten, und nachdem die beiden anderen Hotels Parkplätzen gewichen waren, hatte er es auch nicht mehr nötig gehabt, Mieteintreiber zu beschäftigen.
Aber die Geschichte mit den Gangs ließ Milo keine Ruhe, und als er an den Parkplätzen vorbeifuhr und sich die Wächter anschaute, sah er kahlrasierte Schädel und geduckte Haltungen. Und Tätowierungen, so auffällig, dass man sie von der Straße aus erkennen konnte.
31
Was ich von Vance Courys Verhalten mitbekommen hatte, stimmte genau mit dem Profil eines dominanten Vergewaltigers überein: ruppig, extrem machohaft, betont unfreundlich. Und die symbolisch aufgeladene Atmosphäre, in der er arbeitete, passte auch: starke Motoren, grelle Farben, die Fotos von unterwürfigen Fellatrizen an den Garagenwänden. Der verstümmelte Porsche.
Ein korrupter Vater vervollständigte das Bild: Coury war dazu erzogen worden, sich einfach zu nehmen, was er wollte. Noch ein paar gleich gesinnte Kumpels, und Janie Ingalls musste es ergehen wie einem Kaninchen inmitten einer Meute von Hunden.
Coury jun. war nicht daran
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