Das Buch der Toten
interessiert gewesen, mich als Kunden zu gewinnen. War der Seville in seinen Augen nur eine Schrottkiste? Oder reichten ihm diese beiden Parkplätze aus, um alle Rechnungen zu bezahlen, sodass er die Kfz-Instandsetzungen als reines Hobby betreiben konnte? Oder als Tarnung… all diese schweren Jungs.
Ich fuhr zurück in die Stadt und dachte über den zweigeteilten Porsche nach. Ausge weidet und zur Schau gestellt. Spaß an der Zerstörung. Vielleicht interpretierte ich zu viel hinein, aber die wenigen Minuten in Courys Gegenwart hatten genügt, um meinen Argwohn zu wecken. Wenn ich nur an ihn dachte, lief es mir kalt den Rücken herunter, und bis weit über Mulholland Drive hinaus musste ich immer wieder in den Rückspiegel schauen.
Zu Hause angekommen, versuchte ich, mir die Szene bei der Party vor zwanzig Jahren vorzustellen: Janies Begegnung mit Coury inmitten des lärmenden Trubels und des Drogendunstes; der Moment des Wiedererkennens, für Coury eine freudige Überraschung, für Janies das pure Entsetzen. Er tritt auf den Plan und übernimmt das Kommando. Die King's Men ziehen alle mit. Auch ein King's Man, der anders zu sein schien als die anderen?
Die Bilder, die Nicholas Hansens Galerie auf ihrer Website zeigte, waren Stillleben. Üppige Kompositionen aus Früchten und Blumen in leuchtenden Farben, mit großer Detailtreue wiedergegeben. Hansens Arbeiten schienen Lichtjahre entfernt von jener grausigen Skulptur, die an der Beaudry-Auffahrt gefunden worden war, von jeglicher Form von Brutalität. Aber Kunst schützte nicht vor Verworfenheit. Caravaggio hatte einen Mann im Streit um ein Tennisspiel erschlagen; Gauguin hatte mit jungen Tahitianerinnen geschlafen und sie wissentlich mit Syphilis infiziert.
Dennoch: Nick Hansen schien einen anderen Weg eingeschlagen zu haben als die anderen Gruppenmitglieder, und Abweichungen von der Norm hatten mich schon immer fasziniert.
Es war kurz vor drei, vielleicht hatte die Galerie in New York schon geschlossen, aber ich rief dennoch an. Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine junge weibliche Stimme. Beim ersten Telefonat hatte ich meinen Namen nicht genannt, sodass ich nun gefahrlos eine kleine Show abziehen konnte.
Ich schaltete auf Kunstjargon um und stellte mich als Sammler von Zeichnungen alter Meister vor, dem allmählich der sonnengeschützte Platz ausging, den solche Kunstschätze verlangten, und der deshalb darüber nachdachte, auf Ölgemälde umzuschwenken.
»Dachten Sie an Ölgemälde alter Meister?«, fragte die junge Frau.
»Das würde mein Budget ein wenig überschreiten«, antwortete ich. »Aber ich bin durchaus beeindruckt von gewissen Arbeiten im Stil des zeitgenössischen Realismus, die sich wohltuend von der allgemein verbreiteten Effekthascherei abheben. Das Werk von Nicholas Hansen beispielsweise.«
»O ja, Nicholas ist wunderbar.«
»Er lässt sich jedenfalls nicht von den traditionellen Vorbildern einschüchtern«, fuhr ich fort. »Könnten Sie mir ein wenig über seinen Hintergrund erzählen, ist er streng akademisch ausgebildet?«
»Nun«, antwortete sie, »er hat in Yale studiert. Aber wir hatten schon immer das Gefühl, dass Nicholas die Grenzen der akademischen Malerei sprengt. Er hat dieses unglaubliche Feingefühl. Und wie er mit dem Licht umgeht…«
»Ja, absolut. Ich bewundere seinen Blick für die Komposition.«
»Ja, auch das. Er ist einfach ein erstklassiger Künstler. Leider haben wir derzeit keine Arbeiten von ihm auf Lager. Wenn Sie mir Ihren Namen hinterlassen würden«
»Ich informiere mich immer gründlich über einen Künstler, bevor ich mich zum Kauf entschließe. Hätten Sie vielleicht irgendwelche biografischen Informationen über Hansen zur Hand, die Sie mir faxen können?«
»Ja, selbstverständlich«, sagte sie. »Ich werde sie Ihnen sofort zukommen lassen. Und was den akademischen Aspekt betrifft… Nicholas hat in der Tat eine solide Ausbildung, aber Sie dürfen das nicht negativ auslegen. Trotz seiner akribischen Detailtreue und der Art, wie er die Farbe als Rohmaterial herausstellt, strahlt er diese gewisse urtümliche Energie aus. Sie müssten die Bilder einmal im Original sehen, um das richtig einschätzen zu können.«
»Zweifellos«, sagte ich. »Es geht nichts über die Begegnung mit dem Original.«
Fünf Minuten später begann mein Faxgerät zu fiepen, und kurz darauf spuckte es Nicholas Hansens Lebenslauf aus. Ausbildung, Preise, Gruppen und Einzelausstellungen, Sammlungen im Firmenbesitz,
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