Das Buch der Toten
gesagt, dass sie alle ganz tief in der Scheiße stecken.«
Er hielt das Glas hoch. »Ich könnte noch einen gebrauchen.« Milo drehte sich zu mir um. »Die Flasche steht auf dem Küchentresen. Ich warte hier mit Nicholas.«
Ich ging in die Küche und goss aus der Flasche Dalwhinnie Single Malt, die ich dort fand, zwei Fingerbreit in das Glas. Dann sah ich mich erst einmal ein wenig um: vergilbte Wände, altmodische weiße Küchengeräte, leere Arbeitsflächen aus rostfreiem Stahl, leeres Abtropfgestell. Ich öffnete den Kühlschrank. Ein Karton Milch, eine Packung schwitzenden Frühstücksspecks und eine Schüssel mit etwas, das wie eingetrockneter Haferschleim aussah. Keine Essensgerüche, nur dieser allgegenwärtige Mottenkugel-Mief. Die Whiskeyflasche war zu drei Vierteln geleert. Nicholas Hansen war es offenbar gleichgültig, wie er sich ernährte, ein einsamer Trinker.
Ich kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo Milo in seinem Notizblock blätterte, ohne Hansen zu beachten, der wie gelähmt in seinem Sessel saß. Ich reichte ihm seinen Drink. Er griff mit beiden Händen danach und schluckte gierig.
Milo sagte: »Luke ist also zusammengebrochen.«
»Ich fragte ihn, was denn passiert sei, aber anstelle einer Antwort zog er nur einen Joint aus der Tasche und wollte ihn sich anzünden. Ich riss ihm die Tüte aus der Hand und sagte: › Was fällt dir ein?‹ Ich muss wohl ziemlich gereizt geklungen haben, denn er wich erschrocken zurück und sagte: ›Oh, Rick, wir stecken wirklich total in der Scheiße.‹ Und dann rückte er endlich damit heraus.«
Hansen trank seinen zweiten Whiskey aus. Milo sagte: »Reden Sie weiter.«
Hansen betrachtete das leere Glas. Er schien mit einem dritten Drink zu liebäugeln, aber dann stellte er das Glas auf einem Beistelltisch ab. »Er erzählte mir etwas von einer Party, einer Riesensause, irgendwo in einem leer stehenden Haus in Bel Air«
»Wessen Haus?«
»Das hat er mir nicht gesagt, und ich habe auch nicht danach gefragt«, erwiderte Hansen. »Ich wollte es nicht wissen.«
»Warum nicht?«, fragte Milo.
»Weil ich mich weiterentwickelt hatte; diese Leute bedeuteten mir längst nichts mehr«
»Was hat Chapman Ihnen über die Party erzählt?«
Hansen schwieg. Er vermied es krampfhaft, uns anzusehen. Wir übten uns in Geduld.
Er sagte: »O Mann.«
»Allerdings, o Mann«, sagte Milo.
Hansen schnappte das Whiskeyglas. »Ich könnte noch einen«
»Nein«, sagte Milo.
»Ein Mädchen wurde bei der Party getötet. Ich brauche wirklich noch einen Drink.«
»Wie war der Name des Mädchens?«
»Ich weiß es nicht!« Hansens Augen waren feucht, zwei graubraune Pfützen.
»Sie wissen es nicht«, wiederholte Milo.
»Luke sagte bloß, da sei eine Party gewesen, und da sei es ziemlich wild zugegangen; sie hätten mit einem Mädchen rumgemacht, und es sei immer noch wilder zugegangen, und irgendwann sei sie plötzlich tot gewesen.«
»Rumgemacht.« Keine Antwort.
»Ganz plötzlich«, sagte Milo.
»So hat er es ausgedrückt«, sagte Hansen.
Milo lachte kurz auf. Hansen zuckte zurück, beinahe hätte er das Glas fallen lassen.
»Wie kam es zu diesem plötzlichen Tod, Nick?« Hansen biss sich auf die Unterlippe.
Milo blaffte ihn an: »Raus damit!«
Hansen fuhr zusammen und hatte erneut Mühe, das Glas festzuhalten. »Bitte, ich weiß nicht, was passiert ist, Luke wusste selbst nicht, was passiert war. Das war es ja eben. Er war verwirrt, vollkommen desorientiert.«
»Was hat er Ihnen über das Mädchen erzählt?«
»Er sagte, Vance hätte sie gefesselt, dann hätten sie es mit ihr getrieben, und dann sei es plötzlich blutig geworden. Eine blutige Szene, wie in einem dieser Filme, die wir uns damals immer angeschaut hatten, diese Splatter-Filme. ›Aber noch viel schlimmer, Nick. Es ist viel schlimmer, wenn es echt ist.‹ Mir wurde ganz anders, und ich sagte: › Was redest du denn da für einen Quatsch?‹ Aber Luke brabbelte nur noch wirres Zeug und flennte und sagte immer wieder, dass sie alle in der Scheiße steckten.«
»Wer?«
»Sie alle. Die Kingers.«
»Und der Name des Mädchens ist nicht gefallen?«
»Er sagte, er habe sie nie zuvor gesehen. Vance kannte sie und er war es, der sie bei der Party entdeckt und abgeschleppt hat. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er warf sie über die Schulter und trug sie runter in den Keller. Sie war total dicht.«
»In den Keller des Hauses, wo die Party war.«
»Da haben sie… mit ihr rumgemacht.«
»Mit ihr rumgemacht«,
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