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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sich ruhig eine Stärkung.«
    Hansen stützte sich auf die Armlehnen des Sessels und stand auf. Milo folgte ihm durch den gekachelten Eingangsbereich in das angrenzende Esszimmer und weiter durch eine Doppeltür. Als die beiden zurückkamen, hatte Hansen beide Hände um ein massives, gedrungenes Glas aus geschliffenem Kristall geschlungen, das zur Hälfte mit Whiskey gefüllt war. Er setzte sich, und Milo nahm wieder seinen Posten hinter dem Sessel ein. Hansen verrenkte den Hals und sah zu ihm auf, dann leerte er das Glas fast bis zur Neige und rieb sich die Augen.
    »Sagen Sie uns zuerst mal, wo es war.«
    »Hier,- hier im Haus.« Hansen trank seinen Whiskey aus.
    »Luke und ich hatten keinen Kontakt mehr gehabt. Ich hatte die Highschool schon längst aus meinem Bewusstsein gestrichen. Das waren dumme Jungen für mich. Dumme, reiche Jungen, und der Gedanke, dass ich sie einmal cool gefunden hatte, war einfach lachhaft. Aber damals war ich nur ein verschüchterter kleiner Streber von der Ostküste und voller Panik, weil ich mich schon wieder auf einen völlig neuen Lebensstil einstellen musste, wieder in eine vollkommen neue Welt geworfen wurde. Braungebrannte Körper, grelles Zahnpastalächeln, soziale Kastenbildung… es war eine akute Überdosis Kalifornien. Luke und ich hatten zusammen Geschichte. Er drohte durchzufallen, er war so ein großer blonder Dussel, konnte kaum lesen und schreiben. Er tat mir Leid, also beschloss ich, ihm zu helfen, und gab ihm kostenlos Nachhilfe, Er war vielleicht beschränkt, aber er war kein schlechter Junge. Ein Schrank von einem Kerl, aber von Sport wollte er nichts wissen, er blieb lieber in der Bude und trank und kiffte. Darum drehte sich alles bei den Kingers. Sie legten größten Wert darauf, nichts, aber auch gar nichts zu tun, außer Partys zu feiern und in dieser Phase meiner Entwicklung schien mir diese Art von wild entschlossener Hingabe ans Nichtstun irgendwie erstrebenswert. Und als Luke mich fragte, ob ich mich der Gruppe anschließen wollte, ließ ich mich nicht zweimal bitten. So gehörte ich wenigstens irgendwo dazu. Ich hatte ja sonst nichts.«
    »Haben die anderen Sie mit offenen Armen empfangen?«
    »Das nicht gerade, aber es war ganz okay«, antwortete Hansen. »Sie haben mich erst mal auf die Probe gestellt. Ich musste mich beweisen, indem ich sie alle unter den Tisch trank. Das war kein Problem für mich, aber ich habe mich in ihrer Gesellschaft nie wohl gefühlt, und das haben sie vielleicht gespürt, denn gegen Ende unserer gemeinsamen Zeit schienen sie sich irgendwie von mir zu distanzieren. Und dann war da noch der finanzielle Aspekt. Sie hatten geglaubt, ich sei reich, es war ein Gerücht im Umlauf, wonach mein Vater der Besitzer einer Ölfirma war. Als ich ihnen die Wahrheit sagte, waren sie sichtlich enttäuscht.«
    Hansen nahm das Glas von der einen in die andere Hand und starrte seine Knie an. »Aber was rede ich die ganze Zeit über mich selbst.« Er holte tief Luft. »Also, mehr gibt es da nicht zu sagen: Ich war während der zweiten Hälfte meines zweiten Jahres und noch zu Beginn des dritten Jahres in ihrer Clique, und danach verlief das Ganze mehr oder weniger im Sand. Als ich den Studienplatz an der Columbia bekam, haben sie sich mit Grausen abgewandt. Was ihnen vorschwebte, war, in L. A. zu bleiben, weiter vom Geld ihrer Eltern zu leben und endlose Partys zu feiern.«
    Milo sagte: »Sie waren also während der Ferien zu Hause, und Luke Chapman ist einfach so hereingeschneit.«
    »Ja, vollkommen unerwartet«, bestätigte Hansen. »Ich hatte mich in meiner Bude verschanzt und zeichnete den ganzen Tag. Luke kam einfach unangemeldet vorbei, und Mutter ließ ihn herein.«
    Hansen wog das leere Whiskeyglas in der Hand.
    »Was wollte er?«, fragte Milo. Hansen starrte ihn an.
    »Worum ging es, Nicholas?«
    »Er sah fürchterlich aus«, erwiderte Hansen. »Zerzaust und ungewaschen, er stank wie ein Ziegenstall. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte. Dann sagte er: ›Mensch, Nick, du bist der Einzige, der mir je geholfen hat, und jetzt brauche ich deine Hilfe.‹ Mein erster Gedanke war, dass er irgendein Mädchen geschwängert hatte und einen Rat brauchte, wohin er sich wegen einer Abtreibung wenden sollte, oder etwas in der Art. Ich sagte:
    ›Was kann ich für dich tun?‹ Und da ist er einfach zusammengebrochen, er war vollkommen fertig. Er hat dagesessen und ist mit dem Oberkörper vor und zurückgeschaukelt, hat gestöhnt und immer wieder

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