Das Buch der Toten
Hansen ballte eine Hand zur Faust und reckte die Brust vor. Ein zaghafter Versuch zu demonstrieren, dass er sich nicht alles bieten ließ. Milo kauerte weiter an Hansens Seite, schaffte es aber dennoch, ihn seine Überlegenheit spüren zu lassen. Hansen schüttelte den Kopf, wandte sich ab und fing wieder an zu weinen.
»Was haben sie anschließend getan?«
»Sie haben Kaffee getrunken«, antwortete Hansen. »Irgendwo in Ho llywood. Kaffee und Kuchen. Luke sagte, er habe versucht, etwas zu essen, aber auf dem Klo habe er sich dann übergeben müssen.«
»Welche Sorte Kuchen?«
»Ich habe ihn nicht gefragt. Warum hat denn darüber nichts in der Zeitung gestanden?«
»Was schätzen Sie, Nicholas?«
»Wie meinen Sie das?«, fragte Hansen.
»So, wie Sie Ihre Kumpels kennen, was wäre Ihre Theorie?«
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen.«
Milo stand auf, streckte sich, ließ den Kopfkreisen, ging langsam auf eines der Bleiglasfenster zu und sprach mit dem Rücken zu Hansen. »Denken Sie doch mal darüber nach, in was für einer Welt Sie leben, Nicholas. Sie sind ein erfolgreicher Künstler. Sie bekommen dreißig-, vierzigtausend Dollar für ein Bild. Wer kauft Ihre Sachen?«
»Dreißigtausend ist in der Kunstbranche nicht allzu viel«, sagte Hansen. »Verglichen mit…«
»Es ist eine Menge Geld für ein Gemälde«, unterbrach ihn Milo. »Wer kauft Ihre Sachen?«
»Sammler. Aber ich verstehe nicht, was das mit«
»Ja, ja, Leute mit Geschmack und so weiter. Aber bei vierzig Riesen pro Stück werden das nicht irgendwelche Sammler sein.«
»Vermögende Leute«, sagte Hansen.
Milo drehte sich unvermittelt um. Er grinste: »Leute mit Geld, Nicholas.« Er räusperte sich.
Hansens trübe Augen weiteten sich. »Wollen Sie damit sagen, dass jemand bestochen wurde, um die Sache zu vertuschen? Dass so eine furchtbare Tat, aber warum, zum Teufel, ist es dann rausgekommen? Warum kommt das alles jetzt ans Licht?«
»Auch dazu hätte ich gerne eine Theorie von Ihnen.«
»Ich habe keine.«
»Denken Sie nach.«
»Hat irgendjemand ein Interesse daran, dass es publik wird?«, fragte Hansen. Er setzte sich auf. »Irgendjemand mit noch mehr Geld? Ist es das, worauf Sie hinauswollen?«
Milo ging zum Sofa zurück, setzte sich bequem hin und schlug seinen Notizblock auf.
»Jemand mit noch mehr Geld«, wiederholte Hansen. »Es war also ziemlich blöd von mir, so freimütig mit Ihnen zu reden. Sie haben mich überrumpelt und mich benutzt, um…« Plötzlich hellte sich seine Miene auf. »Aber Sie haben einen Fehler gemacht. Sie wären verpflichtet gewesen, mir einen Anwalt zur Verfügung zu stellen; es kann also nichts von dem, was ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht…«
»Sie sehen zu viel fern, Nicholas. Wir sind dann verpflichtet, Ihnen einen Anwalt anzubieten, wenn wir Sie festnehmen. Gibt es irgendeinen Grund, weshalb wir Sie festnehmen sollten, Nicholas?«
»Nein. Nein, natürlich nicht«
Milo wandte sich an mich. »Ich glaube, wir könnten durchaus von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Verdunkelung ist ein Straftatbestand.« Er sah wieder Hansen an. »So eine Anklage würde Ihr ganzes Leben verändern, ob Sie verurteilt werden oder nicht. Aber da Sie sich ja kooperativ gezeigt haben…«
Hansens Augen funkelten. Er befingerte die spärlichen Haare über seinen Ohren. »Ich muss mir Sorgen machen, nicht wahr?«
»Weswegen?«
»Wegen dieser Leute. Gott, was habe ich getan? Ich sitze hier fest, ich kann doch nicht weg, nicht mit Mutter«
»Mit Ihrer Mutter oder ohne sie, es wäre keine gute Idee zu türmen, Nicholas. Wenn Sie ehrlich gewesen sind, wenn Sie uns wirklich alles gesagt haben, werden wir unser Bestes tun, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.«
»Als ob Sie das interessiert.« Hansen stand auf.
»Verschwinden Sie jetzt, lassen Sie mich in Ruhe.«
Milo blieb sitzen. »Dürften wir uns mal Ihr Bild ansehen?«
» Was?«
»Ich habe das durchaus ernst gemeint«, sagte Milo. »Ich bin wirklich ein Kunstfan.«
»Mein Atelier ist mein Privatbereich«, sagte Hansen.
»Verschwinden Sie!«
»Einem Trottel wie mir sollte man keine unvollendeten Arbeiten zeigen, wie?«
Hansen wankte. Er lachte höhnisch. »Sie sind kein Trottel. Sie benutzen andere nur eiskalt für Ihre eigenen Interessen. Wie können Sie sich selbst ertragen?«
Milo zuckte die Schultern. Wir gingen zur Tür. Dreißig Zentimeter davor hielt er plötzlich inne. »Übrigens, die Bilder auf der Website Ihrer Galerie sind
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