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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Weichei ist. Könnte auch ein Macho sein. Auf jeden Fall hat er Nerven, wenn er sich noch Zeit für so was lässt.« Er warf einen Blick über die Schulter auf die Beine des Mädchens.
    »Sie hier draußen in Positur zu rücken, wo er riskiert, dass ihn jemand sieht. Ich meine: Du hast dich mit der Leiche vergnügt, musst sie jetzt loswerden, fährst sie in deinem Auto spazieren, willst sie irgendwo rausschmeißen, wohin würdest du sie bringen?«
    »An irgendeine n abgelegenen Ort.«
    »Klar, weil du kein dreister Killer bist; für dich würde es nur darum gehen, sie irgendwo abzuladen. Aber unser Bursche ist anders drauf. Einerseits ist er schlau. Erledigt es gleich hier an der Auffahrt zum Freeway, wenn er fertig ist, kann er sofort wieder rauffahren, auf dem Hunderteinser fallt niemand so schnell auf. Er macht es nach Einbruch der Dunkelheit, vergewissert sich, dass niemand ihn beobachtet, fahrt rechts ran, drapiert sie im Straßengraben, und dann, ssst , weg ist er. Aber wenn er sich die Zeit zum Anhalten nimmt, nur um mit seiner Puppe zu spielen, geht er auf jeden Fall ein großes Risiko ein. Es ging ihm also nicht nur darum, sie abzuladen. Er wollte mit ihr prahlen, wollte noch einen draufsetzen und das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Er ist weder blöd noch verrückt.«
    »Er spielt ein Spiel«, sagte Milo, weil das irgendwie nett klang. Er dachte an Schach, aber das, was er hier sah, konnte er unmöglich mit irgendeiner Art von Spiel in Einklang bringen.
    »›Seht mich an‹«, sagte Schwinn. »Das will er uns sagen.
    ›Seht, wozu ich fähig bin.‹ Es reicht nicht, dass er sie überwältigt und sie nach allen Regeln der Kunst durchgefickt hat, ich wette hundert zu eins, dass wir reichlich Sperma in ihrer Möse und ihrem Arsch finden werden, nein, jetzt will er sie mit der ganzen Welt teilen. Ich habe sie unter Kontrolle, kommt ran und macht euch über sie her!«
    »Rudelfick«, sagte Milo mit heiserer Stimme, und vor seinem geistigen Auge blitzten die Bilder von Hank Swangles Party im Re vier Newton auf. Das Newton-Groupie, eine füllige blonde Bankangestellte, bei Tage sittsam und spröde, aber wie ausgewechselt, wenn sie sich mit den Cops vergnügte. Die runden, weichen Formen, die glasigen Augen, sie war betrunken, als die Kollegen ihn zu ihr ins Zimmer schubsten. Das Groupie streckte die Hand nach Milo aus, ihr Lippenstift war verschmiert. »Der Nächste«, lallte sie. Wie in der Warteschlange an der Bäckereitheke. Er hatte irgendeine Entschuldigung gestammelt, war hinausgestürzt… warum, zum Teufel, fiel ihm das ausgerechnet jetzt ein? Und nun kehrte auch die Übelkeit wieder, seine Hände zitterten, er verschränkte die Finger.
    Schwinn starrte ihn an.
    Er zwang sich, die verkrampften Finger zu lösen und seine Stimme ruhig zu halten. »Er ist also zu vernünftig für einen Wahnsinnigen. Aber wir haben es doch mit einer abnormen Psyche zu tun, oder etwa nicht? Ein normaler Mensch würde so etwas nicht tun.« Er merkte selbst augenblicklich, wie dümmlich sich das alles anhörte.
    Schwinn lächelte wieder. »Normal. Was auch immer das bedeutet.« Er kehrte Milo den Rücken zu, ging wortlos davon, seine Kamera schwenkend, stand abseits von den anderen neben dem Wagen des Gerichtsmediziners und ließ Milo mit seinen amateurhaften Skizzen und seinen zwanghaften Zahlenkolonnen allein.
    Was auch immer das bedeutet.
    Schwinns wissendes Lächeln. Waren die Gerüchte über Milos sexuelle Orientierung schon von Rampart und Newton bis nach Central herübergeweht worden? War der Kerl deswegen so feindselig?
    Milos Hände verkrampften sich erneut. Er hatte allmählich geglaubt, dass er vielleicht doch hierher gehörte; die ersten sieben Mordfalle hatte er ja ganz gut weggesteckt, und allmählich wurde das Ganze zur Routine; er dachte, dass er möglicherweise bei der Mordkommission bleiben würde, dass er am Ende vielleicht doch mit Mord als Beruf leben könnte.
    Jetzt verfluchte er die ganze Welt. Trat auf das Mädchen zu, beugte sich hinunter, näher noch als Schwinn. Sog den Anblick in sich auf, den Geruch, jede einzelne Wunde - ließ sich vo n dem Entsetzen überfluten, sagte sich: Sei still, du Idiot, wer bist du denn schon, dass du dich beklagst? Schau dir doch nur sie an.
    Aber die Wut wurde stärker, übermannte ihn, und mit einem Mal fühlte er in sich eine neue Härte, eine Unerbittlichkeit, den Wunsch nach Rache. Eine Art Hunger erfasste ihn, das quälende Bedürfnis, dies alles zu

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