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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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So wie wir mit den Niggern umspringen, ist es meistens scheißegal, wie viel einer auf dem Kasten hat.«
    Milo ließ ihn auf dem Parkplatz der Central Division aussteigen, sah ihm nach, wie er in seinen Ford Fairlane einstieg und in Richtung Simi Valley davonfuhr, zu seiner Frau, die Bücher liebte.
    Endlich allein. Zum ersten Mal, seit sie in die Beaudry Avenue gerufen worden waren, atmete Milo normal.
    Er betrat das Polizeigebäude, ging die Treppe hoch und beeilte sich, zu dem zerkratzten Metallschreibtisch zu kommen, den sie für ihn im Büro des Morddezernats in eine Ecke geschoben hatten. Die nächsten drei Stunden verbrachte er damit, bei den Vermisstenabteilungen sämtlicher Reviere anzurufen, und als das keine Resultate brachte, weitete er seine Anfragen auf diverse Nebenstellen von Sheriffsbüros und die Polizeistationen der Nachbarstädte aus. Jedes Büro führte seine eigenen Akten, niemand stimmte die Daten untereinander ab, jede Akte musste von Hand aus dem Regal gezogen werden, und die Rumpfbelegschaften der Vermisstenabteilungen hatten wenig Lust, sich zu verausgaben, auch nicht, wenn es wie in diesem Fall um einen Mord ging. Auch wenn er nachhakte und betonte, dass sie dringend eine erste Spur brauchten, und die Scheußlichkeit des Verbrechens schilderte, stieß er weiterhin auf Widerstand. Endlich kam er doch noch auf den Trick, der am anderen Ende der Leitung leise Flüche und Kooperationsbereitschaft auslöste: die Wahrscheinlichkeit, dass die Medien sich auf den Fall stürzen würden. Cops hatten immer Angst vor schlechter Presse. Um drei Uhr früh hatte er schließlich eine Liste von sieben weißen Mädchen in der passenden Altersgruppe.
    Und was sollte er jetzt tun? Sich an den Hörer hängen und die besorgten Eltern aus dem Bett klingeln? Verzeihen Sie die Störung, Mrs. Jones, aber ist Ihre Tochter Amy zufällig wieder aufgetaucht? Bei uns ist sie nämlich immer noch als vermisst gemeldet, und wir hätten da einen Sack voll Gewebe und Gedärm, der gerade in einer Schublade im Leichenschauhaus auskühlt, und dachten, das könnte sie vielleicht sein.
    Es gab nur eine Möglichkeit: Ein vorbereitendes Telefonat, gefolgt von einem persönlichen Gespräch. Und zwar morgen, zu einer menschlichen Uhrzeit. Es sei denn, Schwinn hätte eine bessere Idee. Wieder etwas, worüber er ihn belehren könnte.
    Er übertrug sämtliche Daten von seinem Notizblock auf Berichtsbogen, füllte die entsprechenden Formulare aus, fertigte eine neue Skizze der Umrisse der Mädchenleiche an, fasste die Ergebnisse der Anrufe bei den Vermisstenabteilungen zusammen, ein hübscher kleiner Haufen von Erledigungen, die er abhaken konnte. Er ging zur anderen Seite des Büros, wo er die oberste Schublade eines Aktenschranks öffnete und sich aus dem Haufen von blauen Ringordnern, die hier aufbewahrt wurden, einen herausfischte. Recycelte Ordner: Wenn ein Fall abgeschlossen war, wurden sämtliche Schriftstücke herausgenommen, zusammengeheftet, in eine Mappe gesteckt und ins Archiv drüben im Parker Center transportiert.
    Dieser blaue Ordner hatte schon bessere Tage gesehen, an den Rändern zerfleddert, mit einem braunen Fleck auf dem Deckel, der entfernt an eine verwelkte Rose erinnerte, der fettige Imbiss irgendeines Detectives. Milo klebte ein Haftetikett auf den Deckel. Schrieb aber nichts darauf. Es gab nichts zu schreiben.
    Er saß da und dachte an das massakrierte Mädchen. Fragte sich, wie sie wohl hieß, und konnte sich nicht überwinden, stattdessen Jane Doe einzusetzen, die übliche Bezeichnung für anonyme weibliche Leichen.
    Gleich morgen früh würde er diese sieben Mädchen überprüfen, und mit etwas Glück würde er am Ende einen Namen haben. Einen Titel für eine nagelneue Mordakte.
    Er fand keinen Schlaf, wurde immer wieder von Albträumen geplagt, und um Viertel vo r sieben saß er wieder an seinem Schreibtisch. Er war der einzige Detective im ganzen Büro, aber das war ihm ganz recht; es machte ihm noch nicht einmal etwas aus, selbst Kaffee zu kochen.
    Um zwanzig nach sieben begann er die Familien anzurufen. Die Vermisste Nummer eins war eine Sarah Jane Causlett, weiß, achtzehn Jahre alt, einsfünfundsechzig, fünfundfünfzig Kilo, zuletzt gesehen in Hollywood, wo sie in einem Okie-Burger in der Selma Avenue etwas gegessen hatte.
    Tuut, tuut, tuut. »Mrs. Causlett? Guten Morgen, ich hoffe, ich rufe nicht zu früh an…«
    Um neun war er fertig. Drei der sieben Mädchen waren wieder nach Hause gekommen, zwei

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