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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Harrisons Hilfe, um mit der Situation zurechtzukommen. Ich weiß noch genau, wie Dr. Harrison es ausgedrückt hat. Er sagte: ›Er ist ein guter Mann, Margie, aber er wird es verstehen, wenn das für Sie eine zu schwere Last ist‹ Ich habe ihm geantwortet: ›Diese Hände haben vierzig Jahre lang Heuballen geschleppt; mir wird so schnell keine Last zu schwer.‹ Danach hat Pierce seine Schüchternheit fast ganz abgelegt, und wir sind uns näher gekommen.« Ein Schleier legte sich über ihre Augen. »Ich hätte nie geglaubt, dass ich mal jemanden finden würde und jetzt habe ich ihn wieder verloren.« Sie kramte nach ihrem Tuch und lachte unvermittelt auf.
    »Schauen Sie mich an, bin ich nicht eine Memme? Und Sie sind auch nicht besser, Sie sollen doch eigentlich dafür sorgen, dass es den Leuten besser geht.«
    Ich saß da, während sie lautlos weinte, sich die Augen trocknete und dann noch ein wenig weinte. Ein Schatten huschte plötzlich über die Wand gegenüber dem Fenster und verschwand wieder. Ich drehte mich um und konnte gerade noch sehen, wie ein Bussard in den blauen Himmel emporschoss und verschwand. Von der Koppel her ertönte Hufgetrappel und Schnauben.
    »Rotschwanzbussarde«, sagte sie. »Sie sind gut gegen die Ratten, aber die Pferde gewöhnen sich nie an sie.«
    Ich fragte: »Mrs. Schwinn, was hat Pierce Ihnen über diesen ungelösten Fall erzählt?«
    »Dass es ein ungelöster Fall war.«
    »Und weiter?«
    »Nichts weiter. Er hat mir noch nicht einmal den Namen des Mädchens gesagt. Nur, dass da ein Mädchen massakriert wurde, dass es sein Fall war und dass er den Täter nie gefunden hat. Ich habe versucht, mehr aus ihm herauszubekommen, aber da hat er nicht mitgemacht. Wie ich schon sagte, Pierce wollte mich von seinem früheren Leben abschirmen.«
    »Aber mit Dr. Harrison hat er über den Fall gesprochen?«
    »Da müssten Sie schon Dr. Harrison selbst fragen.«
    »Dr. Harrison hat nie mit Ihnen darüber geredet?«
    »Er hat nur gesagt…« Sie verstummte und wandte sich ab, sodass ich nur noch die Silhouette ihres Kinns sehen konnte.
    »Mrs. Schwinn?«
    »Wir sind überhaupt erst durch Pierces Schlafstörungen auf das Thema gekommen. Er hatte diese schlimmen Träume.
    Albträume.« Sie drehte sich plötzlich um und sah mir ins Gesicht. »Woher haben Sie das gewusst? Was war das, haben Sie einfach nur ganz besonders geschickt geraten?«
    »Pierce war ein guter Mensch, und gute Menschen können sich mit Korruption nicht abfinden.«
    »Von Korruption weiß ich nichts.« Wie sie es sagte, klang es nicht sehr überzeugend.
    »Wann haben die Albträume angefangen?«, fragte ich.
    »Ein paar Monate vor seinem Tod. Zwei, drei Monate.«
    »Ist irgendetwas passiert, was sie ausgelöst haben könnte?«
    »Nicht dass ich wüsste. Ich hatte gedacht, wir wären glücklich. Dr. Harrison sagte mir, er habe das auch geglaubt, aber wie sich herausstellte, hat diese Sache Pierce immer noch verfolgt, das ist das Wort, das benutzt hat. Er fühlte sich verfolgt.«
    »Von dem Fall?«
    »Von seinem Versagen. Dr. Harrison sagte, Pierce sei gezwungen worden, den Fall abzugeben, als sie ihn aus dem Department drängten. Er meinte, bei Pierce hätte sich diese fixe Idee festgesetzt, dass er gewissermaßen eine Todsünde begangen hatte, indem er den Fall nicht weiter verfolgte. Jahrelang hatte er sich selbst bestraft, indem er Drogen nahm und seinen Körper missbrauchte, indem er wie ein Penner lebte. Dr. H. glaubte, Pierce geholfen zu haben, darüber hinwegzukommen, aber er hatte sich geirrt, die Albträume kamen wieder. Pierce konnte einfach nicht loslassen.«
    Sie sah mich lange und eindringlich an. »Pierce hat jahrelang gegen die Vorschriften verstoßen, und die ganze Zeit hat er sich gefragt, ob er eines Tages dafür würde bezahlen müssen. Er war mit Leib und Seele Polizist, aber er hasste das Department. Er traute keinem. Auch nicht Ihrem Freund Sturgis. Als sie ihn aufs Abstellgleis geschoben haben, war er sich sicher, dass Sturgis etwas damit zu tun hatte.«
    »Als ich mit Detective Sturgis hier war, sagten Sie, Pierce habe gut von ihm gesprochen. War das die Wahrheit?«
    »Nicht ganz«, erwiderte sie. »Pierce hat mir gegenüber nie auch nur eine Silbe über Sturgis oder sonst irgendjemanden aus seinem früheren Leben fallen lassen. Das sind alles Dinge, die er Dr. Harrison erzählt hat… und ich wollte Dr. Harrison aus der Sache heraushalten. Aber es stimmt schon, Pierce hatte seine Meinung über Sturgis

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