Das Buch der Toten
Autodiebstahl noch genauso da wie vorher.
Milo löste die Fußfesseln und hievte Bosc hoch. Dann drückte er ihm den Lauf seiner Waffe ins Kreuz. Nur nicht unvorsichtig werden, sagte er sich, auch wenn du scheinbar alles im Griff hast. Bosc war ein Idiot, und er hatte auch einiges von seiner arroganten Selbstsicherheit eingebüßt, aber er war auch ein durchtrainierter Sportler, jung und stark und zu allem entschlossen. Als Milo Bosc am Arm packte, fühlte er eisenharte Muskeln.
»Und jetzt?«, fragte Bosc.
»Jetzt fahren wir ein bisschen spazieren.«
Bosc sackte zusammen, und Milo hatte Mühe, ihn festzuhalten. Vielleicht eine Finte?… Nein, Bosc hatte wirklich Angst. Er hatte eine Blähung abgehen lassen, und der Gestank breitete sich im Zimmer aus, während Milo ihn zur Couch zurückführte und ihn sich setzen ließ. Trotz der versteinerten Miene, die er zur Schau trug, schämte Milo sich insgeheim. Wie tief war er gesunken?
»Komm schon«, bettelte Bosc. »Ich hab dir alles gesagt. Nun lass mich endlich in Ruhe.«
»Wofür hältst du mich eigentlich, Craig?«
»Ich halte dich für schlau. Angeblich bist du doch so schlau.«
»Ganz genau.«
»Das ist doch nicht dein Ernst. Das ist doch verrückt.« Echtes Entsetzen flackerte in Boscs Augen auf. Er rechnete mit dem Schlimmsten; schließlich war sein Gewissen ziemlich verkümmert, und nachdem sein Widersacher den Spieß umgedreht hatte…
In Wirklichkeit wusste Milo noch gar nicht so genau, was er mit dem Idioten eigentlich anstellen sollte. Aber das war noch lange kein Grund, Bosc seine Angst auszureden.
Mit einem ominösen Ton des Bedauerns in der Stimme sagte er: »Ich habe wirklich keine andere Wahl, Craig.«
»Mein Gott«, jammerte Craig. »Wir gehören doch beide zum selben Team, sieh mal, wir sind beide… Außenseiter.«
»Tatsächlich?«
»Du weißt genau, wie ich das meine, Mann. Du bist ein Außenseiter, weil… na, du weißt schon. Und ich verurteile dich deswegen nicht, leben und leben lassen, sage ich. Auch wenn die anderen schlecht über dich geredet haben, ich habe dich immer verteidigt. Ich habe gesagt, schaut euch doch die Aufklärungsrate von dem Kerl an, da interessiert es doch keinen Schwanz, was er macht, wenn er… Ich sag ihnen immer wieder, es kommt darauf an, was einer leistet. Und du leistest eine Menge, Mann. Das respektiere ich. Es ist die Rede davon, dass du befördert werden sollst, du hast eine glänzende Zukunft vor dir, Mann, also verbau sie dir nicht, das hier werden sie dir niemals durchgehen lassen. Warum willst du dir unbedingt mit so was die Finger schmutzig machen?«
»Du hast mir die Finger schmutzig gemacht«, entgegnete Milo.
»Ach, komm schon, was hab ich denn eigentlich getan? Ein paar Befehle befolgt, dich ein bisschen an der Nase rumgeführt, na und? Okay, es war falsch, es war saublöd, zugegeben, tut mir auch Leid, aber wozu die Aufregung? Es sollte doch alles nur, ja, und auch dieser ganze Scheiß mit dem HIV-Gerücht, Mann, der ist nicht auf meinem Mist gewachsen. Ich war dagegen. Aber das war alles nur, um, du weißt schon.«
»Um mir die Augen zu öffnen.«
»Genau«
»Gut, meine Augen sind jetzt schön weit offen, Craig. Steh auf.«
Milo unterstrich die Aufforderung, indem er mit der 9- Millimeter fuchtelte. Dabei fragte er sich, was er eigentlich tun würde, wenn der Kerl seine Befehle befolgte, denn es würde einigermaßen riskant sein, am helllichten Tag mit Bosc hinaus zum Wagen zu gehen, auch wenn es nur ein paar Schritte waren. Selbst in L. A., wo eine Straße in einem Wohngebiet oft so menschenleer war wie Schwinns Naturszenen.
»Bitte«, sagte Bosc. »Tu das nicht. Wir sind doch beide…«
»Außenseiter, ja, ja. Inwiefern bist du eigentlich ein Außenseiter, Craig?«
»Ich bin eine Künstlernatur. Ich habe andere Interessen als diese ganzen Banausen, die das Department bevölkern.«
»Filmkunst?«, fragte Milo.
»Schauspielkunst, Mann. Vor ein paar Jahren habe ich in einem Rockvideo mitgewirkt. Von den Zombie Nannies. Da hab ich einen Highway-Cop gespielt. Und davor habe ich mal einen Werbefilm für die Verkehrsbetriebe gemacht. Und Kunst - Malerei. Ich stehe auf Kunst, Mann. Diese ganzen Banausen im Department haben doch nichts außer Motorradfahren und Krafttraining und Bier im Kopf. Aber ich gehe in Museen. Ich mag auch klassische Musik, vorletzten Sommer war ich in Österreich, bei den Salzburger Festspielen. Mozart, Beethoven, all die guten Sachen. Verstehst du, was ich
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