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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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meines Lebens ausgemacht«, sagte ich. »Der Preis für einen interessanten Job. übrigens hat der Junge, von dem ich gesprochen habe, dann doch noch die Kurve gekriegt.«
    »Er ist mit dir in Kontakt geblieben?«
    »Er hat mich nach der Geburt seines zweiten Kindes angerufen. Angeblich, um zu fragen, wie man mit Eifersucht unter Geschwistern umgeht. Am Ende hat er sich dann dafür entschuldigt, dass er so ein verstockter Teenager war. Ich sagte ihm, er müsse sich für nichts entschuldigen. Ich hatte nämlich inzwischen von seiner Mutter die ganze Geschichte gehört. Sein älterer Bruder hatte ihn seit seinem fünften Lebensjahr schikaniert.«
    Seine Miene verhärtete sich. »Die heilige heile Familie.« Er begann wieder auf und ab zu gehen, trank seinen Saft aus, spülte das Glas und griff erneut nach dem Telefon. Zuerst rief er die Highschools von Palisades, University und Beverly Hills an, danach die privaten Einrichtungen. Er ließ seinen Charme spielen; gab vor, für das Who's who zu recherchieren.
    Niemand hatte Caroline Cossack in den Akten. »Die kleine Miss Nirgendwo.« Er sprach davon, dass er mit dem Ingalls-Fall nichts mehr zu schaffen haben wollte, aber sein Gesicht war gerötet, seine Schultern angespannt wie bei einem zum Sprung bereiten Raubtier.
    »Ich hab's dir noch nicht erzählt«, sagte er, »aber ich war gestern im Parker Center und habe nach Janies Akte gesucht. Sie ist verschwunden. Nichts zu finden, weder im Metro-Revier noch im Archiv oder bei der Gerichtsmedizin, auch keine Einstufung als ›kalter‹ Fall oder ein Hinweis darauf, dass die Akte an einen anderen Ort gebracht worden wäre. Es findet sich nirgendwo auch nur ein Fitzelchen Papier, aus dem hervorgeht, dass je eine Akte über den Fall angelegt wurde. Ich weiß, dass es so war, weil ich die Akte selbst angelegt habe. Schwinn hat mir immer den ganzen Papierkram aufgehalst. Ich habe die entsprechenden Formulare ausgefüllt, meine Notizen übertragen, die Mordakte angelegt.«
    »Keine Unterlagen aus der Gerichtsmedizin, von wegen größere Rolle der Wissenschaft«, sagte ich. »Wann hast du die Akte zum letzten Mal gesehen?«
    »An dem Morgen vor meiner Befragung durch Broussard und diesen Schweden. Nachdem sie mich in die Mangel genommen hatten, war ich so erledigt, dass ich nicht mehr zu meinem Schreibtisch zurückgegangen bin. Ich habe nur noch zugesehen, dass ich aus diesem Gebäude rauskomme. Am nächsten Morgen hatte ich die Mitteilung über meine Versetzung im Briefkasten, und mein Schreibtisch war schon geräumt worden.«
    Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, streckte die Beine aus; mit einem Mal schien er ganz entspannt. »Weißt du was, mein Freund, ich habe einfach viel zu hart gearbeitet. Vielleicht ist es das, was ich von dem alten Mr. Gelassenheit lernen kann. Mal ausspannen und einfach nur Pferdemist schnuppern.«
    Ein ebenso unvermitteltes wie breites Lächeln verzerrte seinen Mund in beunruhigender Weise. Er ließ den Kopf mehrmals kreisen, als wolle er seinen verspannten Nacken entkrampfen. Dann wischte er sich ein paar schwarze Strähnen aus der Stirn und sprang auf.
    »Wir sehen uns. Danke, dass du dir Zeit genommen hast.«
    »Was hast du vor?«, fragte ich.
    »Mich einem Leben der Muße und Meditation hingeben. Hab jede Menge Urlaub angespart. Scheint mir ein guter Zeitpunkt, um ihn endlich zu nehmen.«

15
    Muße war das Letzte, was ich jetzt brauchte. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, griff ich schon nach dem Telefo n.
    Larry Daschoff kenne ich noch von der Universität. Nach unserer AiP -Zeit nahm ich eine Professur an der medizinischen Fakultät an und arbeitete auf den Krebsstationen des Western Pediatric Medical Center, während er gleich seine Praxis eröffnete. Ich blieb Junggeselle, er heiratete seine Highschool-Flamme, zeugte sechs Kinder, verdiente gutes Geld und setzte an seiner vierschrötigen Sportlerfigur allmählich Wohlstandsspeck an, sah zu, wie seine Frau ihr Jurastudium wieder aufnahm, und begann Golf zu spielen. Inzwischen war er ein junger Großvater, lebte von seinen Kapitalerträgen und überwinterte in Palm Desert. Ich erreichte ihn in seiner dortigen Eigentumswohnung. Es war schon eine Zeit lang her, dass ich zuletzt mit ihm gesprochen hatte, und ich erkund igte mich nach Frau und Kindern.
    »Allen geht's prima.«
    »Besonders dem Superenkel.«
    »Tja, wenn du schon fragst, ja, Samuel Jason Daschoff ist zweifellos der Verkünder der Wiederkunft des Herrn, ein zweiter jüdischer

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