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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Album. Denkst du, dieser Jemand könnte vielleicht die gute alte Marge sein?«
    »Ich hatte nicht den Eindruck, dass sie uns was vormacht, aber wer weiß? Sie ist fast ihr ganzes Leben allein gewesen; kann sein, dass sie da gewisse Überlebensinstinkte entwickelt hat.«
    »Wenn sie es war, womit haben wir es dann zu tun? Vielleicht mit Schwinns letztem Wunsch an sein geliebtes Ehegespons? Und das erklärt noch nicht, warum du als Mittelsmann ausgewählt wurdest.«
    »Aus demselben Grund«, erwiderte ich. »Schwinn wollte seine Spuren verwischen. Er hat sich vielleicht ein Ohrloch stechen lassen, aber seinen alten Cop-Instinkt hat er dabei nicht eingebüßt.«
    »Der Verfolgungswahn hat ihn bis zuletzt nicht losgelassen.«
    »Verfolgungswahn kann auch etwas Nützliches sein«, sagte ich. »Schwinn hatte sich ein neues Leben aufgebaut; da hatte er mit einem Mal etwas zu verlieren.«
    Darüber dachte er einen Moment nach. »Okay, vergessen wir mal die Frage, wer das verdammte Teil geschickt hat, und wenden wir uns der Frage aller Fragen zu: Warum? Schwinn hat irgendeine Information über Janie zwanzig Jahre lang für sich behalten, und von einem Tag auf den anderen bekommt er plötzlich Schuldgefühle?«
    »In diesen zwanzig Jahren hatte er meistens den Kopf voll mit anderen Problemen. Da war sein Groll auf das Department, der Tod seiner Frau, seine schwere Drogensucht. Er war ganz unten angelangt, wie Marge sagte. Er wurde alt, überwand schließlich seine Abhängigkeit und legte sich ein paar neue Hobbys zu, heiratete wieder, richtete sich in seinem neuen Leben ein. Er lernte, stillzusitzen und einfach nur die Sterne anzustarren. Endlich hatte er Zeit, in sich zu gehen. Ich hatte mal eine Patientin, eine pflichtbewusste Tochter, die ihre unheilbar kranke Mutter pflegte. Eine Woche vor ihrem Tod winkte die Mutter ihre Tochter zu sich ans Bett und gestand ihr, dass sie den Vater meiner Patientin im Schlaf mit einem Fleischermesser erstochen hatte. Die Tochter war damals neun Jahre alt gewesen; die ganzen Jahre hindurch hatte sie, wie die übrige Familie, mit dem Mythos des schwarzen Mannes gelebt, des großen Unbekannten, der in der Nacht mit dem Messer herumschlich. Die Angst hatte ihr ganzes Leben bestimmt, und jetzt erfuhr sie die Wahrheit aus dem Mund einer vierundachtzigjährigen Mörderin.«
    »Wie, Schwinn soll gewusst haben, dass er sterben würde? Der Kerl ist vom Pferd gefallen.«
    »Ich will damit nur sagen, dass Alter und Selbsterforschung eine interessante Kombination sein können. Vielleicht hatte Schwinn begonnen, über unerledigte Aufgaben nachzusinnen. Er beschloss, sich wegen Janie mit dir in Verbindung zu setzen, wollte aber trotzdem auf Nummer Sicher gehen. Also hat er mich als Vermittler benutzt. Wenn ich das Album nicht an dich weitergeleitet hätte, dann wäre er immerhin seiner moralischen Verpflichtung nachgekommen. Wenn ich es dir gegeben hätte und du herausgefunden hättest, dass es von ihm kam, wäre er auch damit fertig geworden. Aber wenn du ihm in irgendeiner Weise gedroht hättest, dann hätte er immer noch alles abstreiten können.«
    »Er stellt ein ganzes verdammtes Fotoalbum zusammen, nur um mich an Janie zu erinnern?«
    »Das Album war wahrscheinlich anfangs nur so was wie ein ausgefallenes Hobby für ihn, eine Methode, die Dämonen auszutreiben, die ihn plagten. Es ist kein Zufall, dass auf seinen späteren Fotos keine Menschen zu sehen sind. Er hatte das Schlimmste gesehen, was Menschen einander antun können.«
    Wir fuhren schweigend den Highway entlang.
    »Hört sich nach einem komplizierten Charakter an«, sagte ich.
    »Er war nicht ganz sauber, Alex. Klaut Leichenfotos aus dem Archiv und katalogisiert sie zu seinem Privatvergnügen. Würde mich nicht wundern, wenn er sich mit dem Album sexuelle Befriedigung verschafft hätte. Dann war er plötzlich alt und hat ihn nicht mehr hochgekriegt, und da kam er auf die Idee, es weiterzugeben.« Er runzelte die Stirn. »Ich glaube nicht, dass Marge von der Mordakte gewusst hat. Er hätte nicht gewollt, dass sie ihn für einen Perversling hält. Und das bedeutet, dass jemand anders es dir geschickt hat , Alex. Wenn man ihr so zuhört, könnte man meinen, die zwei hätten sich dort oben ihr idyllisches Nestchen gebaut, aber da liegt sie ganz gewaltig daneben, glaube ich.«
    »Eine andere Frau?«, sagte ich.
    »Warum nicht? Eine, zu der er gegangen ist, wenn er mal aus seinem Nirwana in den Bergen rauswollte. Wir reden hier von einem

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