Das Buch der Toten
Erlöser. Der Kleine ist gerade zwei geworden und hat sich seinem Alter entsprechend vom Sonnenschein zum unausstehlichen Ekel entwickelt. Ich sag dir, Alex, es gibt keine süßere Rache, als deinen eigenen Kindern zuzusehen, wie sie sich mit der ganzen Scheiße rumplagen, mit der sie damals dich zugeschüttet haben.«
»Das glaub ich gern«, sagte ich, wobei ich mich fragte, ob ich die Erfahrung je machen würde.
»Also«, sagte Larry, »wie ist es dir denn so ergangen?«
»Immer viel zu tun. Übrigens, ich rufe eigentlich wegen eines Falls an.«
»Das hatte ich mir schon gedacht.«
»Ach?«
»Du warst schon immer fallorientiert, Alex.«
»Willst du damit sagen, dass ich nicht einfach nur freundlich sein kann?«
»Genauso wenig, wie ich einfach nur schlank sein kann. Was für eine Art von Fall ist es denn, Therapie oder eine dieser üblen Geschichten, die du mit der Polizei machst?«
»Eine dieser üblen Geschichten.«
»Tust du dir das immer noch an?«
»Immer noch.«
»Na, deine Motivation kann ich ja verstehen«, sagte er. »Ist hundertmal aufregender, als den ganzen Tag lang die Ängste von anderen Leuten einzuatmen. Und du konntest sowieso nie gut still sitzen. Also, wie kann ich dir helfen?«
Ich beschrieb Caroline Cossack, ohne Namen zu erwähnen. Ich fragte ihn, auf welche Schule man wohl vor zwanzig Jahren einen derart schwierigen Teenager geschickt haben würde.
»Hat den Nachbarshund mit Zyankali gefüttert?«, meinte er.
»Das ist aber gar nicht nett. Wieso hat sie deswegen keinen Ärger gekriegt?«
»Vielleicht wegen der Beziehungen ihrer Familie«, sagte ich, während mir plötzlich aufging, dass eine Inhaftierung ein ausgezeichneter Grund dafür wäre, keine Sozialversicherungskarte zu besitzen, und weder Milo noch ich waren auf die Idee gekommen, die Insassenlisten der Gefängnisse zu überprüfen. Da hatten wir beide auf dem Schlauch gestanden.
»Ein reicher schwieriger Teenager«, meinte Larry. »Also, damals gab es eigentlich für den durchschnittlichen straffällig gewordenen Jugendlichen keine Einrichtung außerhalb des staatlichen Kliniksystems, also Camarillo. Aber ich nehme an, dass eine reiche Familie sie auch komfortabler untergebracht haben könnte.«
»Ich dachte da an Achievement House oder Valley Educational oder entsprechende Institute außerhalb Kaliforniens.«
»Mit Sicherheit nicht Valley Educational, Alex. Ich habe dort Beratungen durchgeführt, und die lassen die Finger von Straffälligen, konzentrieren sich lieber auf die Kids mit Lernschwierigkeiten. Die haben schon damals fünfzehn Riesen Schulgeld kassiert, hatten eine Warteliste von zwei Jahren - konnten es sich leisten, wählerisch zu sein. Es sei denn, die Familie hätte das wahre Ausmaß der krankhaften Veranlagung des Mädchens vertuscht, aber derartige gewalttätige Neigungen lassen sich schwerlich über längere Zeit unterdrücken. Was Achievement House betrifft, mit denen habe ich keine persönlichen Erfahrungen gemacht, aber ich kenne jemanden, der welche hat. Das war übrigens ziemlich genau um diese Zeit, fällt mir gerade ein, so vor neunzehn, zwanzig Jahren. Keine sehr erfreuliche Situation.«
»Für die Schüler?«
»Für die Person, die ich kenne. Du weißt doch noch, dass ich damals für das Institut Studienberatung angeboten habe, für Studenten, die Psychologie als Berufsfeld in Erwägung zogen. Da war ein Mädchen im ersten Semester, frühreif, gerade erst siebzehn. Sie hat eine Praktikumstelle in Achievement House bekommen.«
»Welche Art von Problemen hatte sie dort?«
»Der Direktor hat… seinen Trieben etwas zu freien Lauf gelassen.«
»Sexuelle Belästigung?«
»Damals hieß das noch einfach Grabschen oder Fummeln. Das Mädchen war zwar noch sehr jung, aber sie war eine Feministin mit glasklarem Verstand und ihrer Zeit weit voraus, sie hat sich beim Verwaltungsrat beschwert, und die haben sie prompt rausgeschmissen. Sie hat mir gesagt, dass sie die Sache verfolgen wollte sie war wirklich traumatisiert, und ich bot ihr an, sie zu unterstützen, falls sie weitere Schritte unternehmen wollte, aber letztlich hat sie sich dagegen entschieden. Sie wusste, dass ihr Wort gegen seines stehen würde, und er war ein hoch angesehener Beamter der Gesundheitsbehörde, sie dagegen nur ein gut aussehender Teenager mit zu kurzen Röcken. Ich habe sie in ihrer Entscheidung bestärkt. Was hätte sie dabei schon gewonnen? Sie hätte sich nur in noch mehr Schwierigkeiten gebracht.«
»Gab es je
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