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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Luxus-Kinderbetreuung. Sie haben nachts die Türen abgeschlossen, aber man ha tte nicht den Eindruck, in einem Gefängnis zu sein.«
    »Was können Sie mir sonst noch über Caroline erzählen?«
    »Sie wirkte alles andere als bedrohlich. Ich habe sie als ruhig und passiv in Erinnerung. Deshalb fand ich auch die Verhaltenswarnung so befremdlich.«
    Sie leckte sich die Lippen und stellte ihr Weinglas zur Seite.
    »Das ist wirklich alles, was ich Ihnen sagen kann. Ich war nur als Praktikantin dort, frisch von der Highschool, und ich habe keine Fragen gestellt.« Sie neigte ihren Kopf nach links. Die riesigen blauen Augen sahen mich unverwandt an. »Über dieses Institut zu sprechen, gehört… nicht eben zu den vergnüglichsten Dingen, die ich diese Woche gemacht habe. Larry hat Ihnen ja erzählt, was ich dort mit Larner erlebt habe.«
    Ich nickte.
    »Wenn dasselbe heute passieren würde«, sagte sie, »dann würde ich mit Sicherheit viel aktiver werden. Ich würde wahrscheinlich Gloria Allred anrufen, dafür sorgen, dass der Laden dichtgemacht wird, und eine fette Abfindung einstreichen. Aber ich mache mir keine Vorwürfe wegen meines Verhaltens damals. Also… arbeiten Sie schon länger mit der Polizei zusammen?«
    »Ein paar Jahre.«
    »Finden Sie das nicht schwierig?«
    »Inwiefern?«, fragte ich zurück.
    »Na, allein schon diese autoritären Persönlichkeiten.«
    »Ich habe meistens nur mit einem bestimmten Detective zu tun«, erklärte ich. »Er ist ein guter Freund von mir.«
    »Aha«, sagte sie. »Sie finden die Arbeit also befriedigend.«
    »Sie kann es sein.«
    »Welcher Aspekt davon?«
    »Der Versuch, das Unerklärliche zu erklären.«
    Sie legte eine Hand über die andere. Überall sonst Schmuck, aber keine Ringe an den Fingern. Warum war mir das aufgefallen?
    Ich sagte: »Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich Ihnen gerne noch ein paar Fragen über Caroline stellen.«
    Sie grinste. »Nur zu.«
    »Hatten Sie viel persönlichen Kontakt mit ihr?«
    »Nicht direkt, aber ich durfte an diversen Sitzungen von Therapiegruppen teilnehmen, und sie war in einer dieser Gruppen. Das war so eine Art allgemeine Plauderstunde. Die Leiterin versuchte, sie aus der Reserve zu locken, aber Caroline redete nie; sie starrte nur auf den Fußboden und tat so, als hätte sie einen nicht gehört. Ich merkte aber, dass sie alles genau mitbekam. Wenn sie sich aufregte, zuckten ihre Gesichtsmuskeln.«
    »Worüber hat sie sich aufgeregt?«
    »Über alle Versuche, ihr etwas Persönliches zu entlocken.«
    »Wie war ihre äußere Erscheinung?«
    »Woher dieses intensive Interesse nach zwanzig Jahren?«, fragte sie. »Sie können mir nicht vielleicht sagen, was sie getan hat?«
    »Vielleicht hat sie gar nichts getan«, sagte ich. »Tut mir Leid, dass ich Ihnen so ausweichend antworten muss, aber das ist alles noch sehr vorläufig.« Und auch inoffiziell. »Ein Großteil meiner Arbeit ist Archäologie nach dem Zufallsprinzip.«
    Sie umfasste das Weinglas mit beiden Händen. »Keine grausigen Details? Ach, schade.« Sie lachte und zeigte dabei ihre makellosen Zähne. »Ich bin mir sowieso nicht sicher, ob ich es wirklich wissen will. Okay, also Carolines äußere Erscheinung… das ist jetzt alles aus meiner damaligen Perspektive gesehen; ich war, wie gesagt, erst siebzehn. Sie war klein, eher unscheinbar… ein wenig pummelig und ungepflegt. Strähnige Haare… mausbraun, sie trug sie so lang.« Sie hielt die Hand in Höhe ihrer Schulter. »Sahen immer ungewaschen aus. Sie hatte Akne… Was noch? Sie hatte eine Haltung wie ein geprügelter Hund, so als ob irgendetwas Schweres auf ihren Schultern lastete. Die Jugendlichen durften anziehen, was sie wollten, aber Caroline trug immer die gleichen unförmigen Kleider solche Hauskleider, wie sie ältere Frauen tragen. Ich frage mich, wo sie die wohl aufgetrieben hatte.«
    »Betont unauffällige Kleidung«, bemerkte ich. »Hört sich depressiv an.«
    »Hundertprozentig.«
    »Hat sie sich mit anderen Schülern angefreundet?«
    »Nein, sie war eine Einzelgängerin. Verschlossen, ein wenig unbeholfen. Ich denke, heute würde ich einen Blick auf sie werfen und denken: schizoid.«
    »Aber dort an der Schule hat man sie als potenziell aggressiv angesehen.«
    »Ja.«
    »Wie hat sie ihre Freizeit verbracht?«
    »Die meiste Zeit hat sie allein in ihrem Zimmer gesessen, hat sich zu den Mahlzeiten geschleppt und ist allein wieder zurückgeschlichen. Wenn ich ihr auf dem Flur begegnet bin, habe ich sie

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