Das Buch der Toten
das permanente Ra uschen des Freeway zu hören. Ich stieg wieder ein, fuhr zur Uni, ging noch einmal in die Forschungsbibliothek und wandte mich voller Eifer meinem alten Freund, dem Zeitschriftenindex, zu.
Nichts über Willie Burns. Das war keine Überraschung. Wie oft kam es schon vor, dass über einen Hausmeister etwas in der Zeitung stand? Aber Michael Larners Name tauchte in den vergangenen zwei Jahrzehnten insgesamt zwölfmal auf.
Zwei Erwähnungen stammten aus Larners Zeit als Direktor von Achievement House; es waren Berichte über Wohltätigkeitsveranstaltungen, ohne Fotos, ohne Zitate. Dann kam drei Jahre lang gar nichts, bis Larner plötzlich als offizieller Sprecher von Maxwell Films in Erscheinung trat und sich abfällig über den Charakter einer Schauspielerin äußerte, die von der Filmfirma wegen Vertragsbruchs verklagt worden war. Es gab keine Fortsetzungsberichte über den Ausgang des Verfahrens, und ein Jahr später hatte Larner erneut den Beruf gewechselt: als »unabhängiger Produzent« unterzeichnete er mit derselben Schauspielerin einen Vertrag über ein Science-Fiction-Epos, einen Film, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Die Filmindustrie. Bei Larners sexueller Aggressivität musste es entweder das oder die Politik sein.
Die nächsten vier Erwähnungen fielen mir wegen Larners neuer beruflicher Orientierung ins Auge: Director of Operations bei Cossack Development. Es handelte sich um Kurzmeldungen aus dem Wirtschaftsteil der Times. Larners Job schien darin zu bestehen, Stadtratsmitglieder im Interesse von Garveys und Bobs Immobiliengeschäften zu beeinflussen.
Caroline Cossack war kurz nach dem Mord an Janie Ingalls nach Achievement House abgeschoben worden. Das Haus nahm Jugendliche wie sie normalerweise nicht auf, aber nur wenige Jahre darauf arbeitete der Direktor für die Cossack-Familie. Milo würde sich freuen, das zu hören.
Zu Hause hörte ich gleich den Anrufbeantworter ab. Immer noch nichts von Robin. Das sah ihr nicht ähnlich. Dann dachte ich: Alles ist anders; die Regeln haben sich geändert. Mir fiel auf, dass ich nie einen Tourneeplan zu Gesicht bekommen hatte. Ich hatte nicht gefragt, und Robin war von selbst nicht darauf gekommen, mir einen zu geben. Es war niemandes Schuld, wir waren beide im Stress gewesen, alles war so schnell gegangen. Im hektischen Tanz des Abschiednehmens waren wir beide über unsere eigenen Füße gestolpert.
Ich ging in mein Arbeitszimmer, fuhr den Computer hoch und fand die Website der Toddem-Hunger-Tour. PR-Fotos und flotte Sprüche, Links zu Online-CD-Bestellservices, Fotoserien von früheren Konzerten. Schließlich Zeiten, Daten und Veranstaltungsorte. Eugene, Seattle, Vancouver, Denver, Albuquerque… Änderungen stets vorbehalten.
Ich rief die Vancouver-Arena an, bekam die Voicemail dran, musste diverse Tasten drücken, um schließlich die Mitteilung zu erhalten: Unsere Büros sind derzeit nicht besetzt… wieder für Sie da ab morgen, 10.00 Uhr…
Im Regen stehen gelassen.
Ich hatte nie die Absicht gehabt, Robin aus meinem Leben auszuschließen. Oder etwa doch? Seit wir zusammen waren, hatte ich vo n meiner Arbeit nichts nach außen dringen lassen, hatte Robin in dieser Beziehung auf Distanz gehalten. Hatte mich auf Vertraulichkeit berufen, selbst dann, wenn das gar kein Thema gewesen war. Hatte mir eingeredet, dass es nur in ihrem Interesse sei, dass sie als Künstlerin, als hoch begabter, sensibler Mensch von all der Hässlichkeit und Brutalität verschont werden müsse. Es war auch schon vorgekommen, dass sie auf eher unerfreuliche Weise hatte erfahren müssen, womit ich mich so abgab.
An dem Abend, als ich alles versaut hatte, war sie noch voller Vertrauen ins Aufnahmestudio gefahren. Und kaum hatte sie das Haus verlassen, da war ich losgezogen, um mich mit einer schönen, verrückten und gefährlichen Frau zu treffen.
Ich hatte wirklich im großen Stil Sche iße gebaut, aber waren meine Absichten nicht nobel gewesen? Bla, bla, bla.
Zwei Flugtickets nach Paris, erbärmlich. Plötzlich packten mich die Erinnerungen und ließen mich nicht mehr los. Genau das, was ich mit aller Gewalt hatte vergessen wollen.
Das andere Mal, als wir uns getrennt hatten.
Das war vor zehn Jahren gewesen, und es hatte nichts mit meinem Fehlverhalten zu tun gehabt. Das war nur Robin selbst gewesen, die ihren eigenen Weg finden, sich ihre eigene Identität aufbauen musste. Gott, wenn man es so formulierte, klang es ja wie das letzte
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