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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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historisches Projekt«, sagte Milo. »Es geht um jemanden, der vor zwanzig Jahren hier war.« Marlene Baldassar lehnte sich zurück und hantierte an ihre Brille herum. »Tut mir Leid, über ehemalige Schüler des Instituts darf ich keine Auskunft geben. Es wäre etwas anderes, wenn es um eine aktuelle Situation ginge, um einen Schüler, der zurzeit hier in der Einrichtung ist und eine Gefahr für sich selbst und/oder für andere darstellt. Dann wäre ich dem Gesetz nach verpflichtet, mit Ihnen zusammenzuarbeiten.«
    »Schulen unterliegen nicht der Schweigepflicht, Ma'am.«
    »Aber Psychotherapeuten sehr wohl, Detective, und viele unserer Akten enthalten therapeutische Daten. Ich würde Ihnen liebend gerne helfen, aber…«
    »Was ist mit den Personalakten?«, warf Milo ein. »Wir sind unter anderem an einer Person interessiert, die hier gearbeitet hat. In diesem Fall wären die Daten doch nicht geschützt.«
    Ms. Baldassar spielte wieder mit ihrer Brille. »Das stimmt wohl, aber… vor zwanzig Jahren? Ich bin mir gar nicht sicher, ob unsere Unterlagen so weit zurückreichen.«
    »Es gibt eine Möglichkeit, das herauszufinden.«
    »Wie heißt die Person?«
    »Wilbert Lorenzo Burns.«
    Ihr sommersprossiges Gesicht ließ keine Reaktion erkennen. Sie griff nach dem Telefonhörer, stellte ein paar Fragen, sagte:
    »Warten Sie bitte hier« und kam wenige Augenblicke später mit einem rosafarbenen Zettel in der Hand zurück.
    »Burns, Wilbert L.«, sagte sie, während sie Milo den Zettel reichte. »Das ist alles, was wir haben. Mr. Burns' Entlassungsschein. Er war drei Wochen hier. Vom dritten bis zum vierundzwanzigsten August. Endassen wegen wiederholten Fehlens. Lesen Sie selbst nach.«
    Milo las den Zettel durch und gab ihn zurück.
    »Was hat Mr. Burns getan?«
    »Er ist zur Fahndung ausgeschrieben. Überwiegend Drogendelikte. Was ein wenig beunruhigt, ist, dass er wegen eines Drogenvergehens unter Anklage stand, während er hier beschäftigt war. Er war auf Bewährung draußen, sollte wegen Verkaufs von Heroin vor Gericht gestellt werden.«
    Baldassar runzelte die Stirn. »Na wunderbar. So etwas würde heute nicht mehr passieren.«
    »Sie überprüfen Ihre Angestellten auf Herz und Nieren?«
    »Ein Dealer würde mir hier nicht reinkommen.«
    »Der damalige Direktor war wohl weniger wählerisch«, sagte Milo. »Michael Larner, kennen Sie ihn?«
    »Ich kenne nur meine unmittelbare Vorgängerin, Dr. Evelyn Luria. Eine bezaubernde Frau. Sie ist in Rente gegangen und lebt jetzt in Italien. Sie ist inzwischen achtzig, wenn nicht älter. Ich habe gehört, sie sei damals eingestellt worden, um die klinische Versorgung zu verbessern. Mic h haben sie geholt, um den Laden besser zu organisieren.« Sie stupste die Mundharmonika an. »Sie wollen doch nicht andeuten, dass Burns den Jugendlichen hier Drogen verkauft hat?«
    »Haben die Jugendlichen hier Probleme mit Drogen?«
    »Ich bitte Sie, Detective«, sagte Baldassar. »Das sind Teenager mit unterentwickeltem Selbstwertgefühl und reichlich Barmitteln. Da brauchen Sie keinen Hochschulabschluss, um sich das zusammenzureimen. Aber Sie können mir glauben, dass ich keinen Kriminellen hier reinlasse, egal, welcher Art. Und was vor zwanzig Jahren war…« Sie nahm die Mundharmonika, legte sie wieder hin. »Wenn das alles ist…«
    »Nun ja«, sagte Milo, »es geht nicht nur um Willie Burns. Sondern auch um eine Schülerin, mit der Burns sich angefreundet hatte. Ein Mädchen namens Caroline Cossack.«
    Baldassar starrte ihn an. Dann schnaubte sie, ich nahm an, dass es ein Lachen sein sollte, aber sie sah ganz und gar nicht fröhlich aus. Sie sagte: »Gehen wir nach draußen. Ich würde gerne eine rauchen, aber ich will niemanden vergiften.«
    Sie führte uns durch die gläserne Doppeltür, vorbei an zehn Zimmern, deren Türen zum Teil offen standen. Wir sahen unordentlich gemachte Betten, Berge von Kuscheltieren, Posters von Film und Popstars, Ghettoblaster, Gitarren, kleine Holzschreibtische mit Stapeln von Büchern. Ein paar Kids lagen auf ihren Betten und hörten Musik über Kopfhörer, ein Junge machte Liegestütze, ein Mädchen las in einer Zeitschrift, die Stirn gerunzelt, formte sie mühsam mit den Lippen die Worte.
    Wir folgten Ms. Baldassar zu einer Tür unter einer Treppe im hinteren Gebäudeteil, auf der Ausgang stand und durch die wir in einen schmalen Durchgang gelangten, der hinter dem Haus vorbeiführte. Vor einer niedrigen Betonmauer standen zwei Müllcontainer. Gleich

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