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Das Buch der Toten

Das Buch der Toten

Titel: Das Buch der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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dahinter erblickten wir ein vollbusiges Mädchen, das die Ellbogen auf die Mauer gestützt hatte und sich mit dem Becken an einen hoch gewachsenen Jungen mit Bürstenfrisur schmiegte, dessen Baggy-Pants um seine offenen Turnschuhe wallten. Er sah aus wie eine zerfledderte Vogelscheuche. Gerade setzte er zu einem Kuss an, hielt aber inne, als das Mädchen etwas sagte. Er drehte sich um und runzelte die Stirn.
    »Hi, Leute«, sagte Baldassar. Ohne eine Miene zu verziehen, schlurften die beiden davon und verschwanden um die Ecke.
    »Vielleicht nicht Coitus, aber jedenfalls interruptus«, sagte Baldassar. »Ich fühle mich beinahe schuldig.«
    Drei Meter über der Mauer waren Stromkabel gespannt. Ich hörte sie summen. Eine Taube flog über unsere Köpfe hinweg. Baldassar zündete sich eine Zigarette an, zog gierig daran und verbrannte auf einen Zug über einen Zentimeter Tabak.
    »Besteht irgendeine Möglichkeit, dass unser Gespräch vertraulich bleibt?«, fragte sie.
    »Das würde ich Ihnen gerne versprechen«, antwortete Milo.
    »Aber wenn Sie Kenntnis von einem Verbrechen haben…«
    »Nein, das ist es nicht. Und ich habe das Cossack-Mädchen nie kennen gelernt, obwohl ich weiß, dass sie mal hier an der Schule war. Aber was ihre Familie betrifft… nun ja, sagen wir einfach, dass diese Leute hier nicht besonders beliebt sind.«
    »Wie kommt das, Ma'am?«
    Baldassar zog an ihrer Zigarette und schüttelte den Kopf. »Ich schätze, wenn Sie lange genug herumwühlen, finden Sie es sowieso heraus.«
    »Wo sollten wir denn herumwühlen?«
    »Soll ich etwa Ihre Arbeit für Sie machen?«
    »Ich nehme alles, was ich kriegen kann, Ma'am«, sagte Milo. Sie lächelte. »Im Bezirksarchiv. Ich sage Ihnen, was ich weiß, aber nichts davon darf mit meinem Namen in Verbindung gebracht werden, okay?«
    »Okay.«
    »Ich vertraue Ihnen, Detective.«
    »Danke, Ma'am.«
    »Und nennen Sie mich nicht ›Ma'am‹«, sagte sie. »Ich komme mir schon vor wie in einem alten Krimi.«
    »Geht in Ordnung, Ms?…«
    Baldassar brachte ihn mit einer abrupten Handbewegung zum Schweigen. »Um es kurz zu machen: Vor einiger Zeit, siebzehn oder achtzehn Jahre ist es jetzt her, geriet Achievement House durch unkluge Investitionen in arge finanzielle Schwierigkeiten. Der Verwaltungsrat war mit verstaubten alten Männern besetzt, die mit ihrem Privatvermögen sehr konservativ wirtschafteten, aber umso abenteuerlustiger waren, wenn es um die Stiftungsgelder von Achievement House ging. Erinnern Sie sich noch an diesen Blödsinn mit Junk Bonds? Der Verwaltungsrat engagierte damals einen Finanzmanager, der die erstklassigen Wertpapiere des Hauses gegen Aktien eintauschte, die sich am Ende als ein einziger Haufen Altpapier erwiesen. Damals war die Verzinsung sehr attraktiv, und die Einkünfte verschafften dem Haus auf dem Papier einen derart hohen Überschuss, dass der Rat allmählich zu der Überzeugung gelangte, die Einrichtung würde sich selbst tragen. Und dann ist alles den Bach runtergegangen. Und als ob das noch nicht schlimm genug gewesen wäre, ist dieser so genannte Experte dann auch noch hingegangen und hat eine zweite Hypothek aufgenommen und weitere Pfandbriefe auf Einschuss gekauft. Als dann die Bombe platzte, war Achievement House hoch verschuldet und stand kurz vor der Zwangsvollstreckung.«
    »Die reichen alten Säcke hätten das zugelassen?«
    »Die reichen alten Säcke saßen im Verwaltungsrat, damit sie sich gut und edel vorkommen und in der Galasaison ihre Namen in der Klatschpresse lesen konnten. Und zu allem Überfluss gab es da noch eine unangenehme Geschichte, die den Direktor betraf, Ihren Mr. Larner. Das weiß ich alles von Evelyn Luria. Sie hat mir kurz Bericht erstattet, bevor sie nach Italien entschwunden ist, wollte aber keine Einzelheiten verraten. Sie hat allerdings durchblicken lassen, dass es sich um eine Art Sexskandal handelte. Etwas, was dem Verwaltungsrat jede Menge negative Publicity eingebracht hätte.«
    »Die Schule stand also vor der Schließung, und der Verwaltungsrat wollte nicht spuren?«
    »O Gott, ich hoffe nur, dass die Sache nicht nach all den Jahren doch noch auffliegt. Ich dachte eigentlich, in diesem Job könnte ich mal ein bisschen entspannen.«
    »Ihr Name wird nirgendwo auftauchen, Ms. Baldassar. Und nun erzählen Sie mir, weshalb die Cossacks hier so unbeliebt sind.«
    »Weil sie sich als die strahlenden Retter aufspielten und dann plötzlich ein ganz anderes Gesicht zeigten.«
    »Carolines

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