Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Göttern gewährte Geschenk, denn es macht uns ihnen gleich und erhaben (wenn auch auf andere Art) über Freude und Schmerz.
Und so liebe ich sie alle trotz alledem, meine geliebten vegetativen Geschöpfe!
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Ich wünschte mir, ich könnte für die Höherstehenden der modernen Gesellschaften ein Gesetz zur Untätigkeit erlassen.
Die Gesellschaft würde sich spontan und selbst regieren, gäbe es in ihr keine sensiblen und intelligenten Menschen. Glauben Sie mir, das einzig gereicht ihr zum Nachteil. Die primitiven Gesellschaften waren glücklich, weil sie mehr oder minder auf diesem Modell beruhten.
Bedauerlicherweise jedoch hätte der Ausschluß der Höherstehenden aus der Gesellschaft ihren Tod zur Folge, da sie nicht wissen, wie man arbeitet. Womöglich würden sie auch vor Langeweile sterben, da bei ihnen für die Dummheit kein Platz ist. Aber mir geht es hier um das menschliche Glück im allgemeinen.
Jeder Höhergestellte, der sich als solcher in der Gesellschaft zu erkennen gäbe, würde auf die Insel der Höherstehenden verbannt. Die Höherstehenden würden von der Durchschnittsgesellschaft wie Tiere im Käfig ernährt.
Glauben Sie mir: Gäbe es nicht intelligente Menschen, die auf die Übel hinwiesen, an denen die Menschheit leidet, sie würde sie nicht bemerken. Und Sensible, die leiden, machen andere leiden: aus Mitleid.
Da wir in ein und derselben Gesellschaft leben, haben die Höherstehenden einstweilen nur eine einzige Pflicht, nämlich ihre Beteiligung am Stammesleben auf ein Mindestmaß zu beschränken. Sie sollten keine Zeitungen lesen, allenfalls um zu erfahren, wieviel Unwichtiges und Uninteressantes doch passiert. Niemand vermag sich vorzustellen, welchen Hochgenuß ich den Kurznachrichten aus der Provinz abgewinne. Allein die Namen öffnen mir Türen in die Leere.
Es gibt nichts Erhabeneres und Ehrenvolleres für einen höherstehenden Menschen, als nicht zu wissen, wer Staatsoberhaupt seines Landes ist oder ob er in einer Monarchie oder einer Republik lebt.
Sein ganzes Trachten sollte darauf zielen, seine Seele derart zu formen, daß nichts von dem, was kommt und geschieht, ihm etwas anhaben kann. Andernfalls wird er sich anderen zuwenden müssen, um sich mit sich selbst befassen zu können.
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Zeit vergeuden hat etwas Ästhetisches. Für all jene, die Empfindungen kultivieren, gibt es ein Handbuch der Trägheit mit Anleitungen zu Luziditäten aller Art. Die Strategie, um gegen die Idee gesellschaftlicher Zweckmäßigkeiten anzugehen, gegen die Impulse unserer Instinkte und die Forderungen des Gefühls, bedarf eines Studiums, zu dem nicht jeder Ästhet ohne weiteres in der Lage ist. Einer rigorosen Ätiologie unserer Skrupel muß eine ironische Diagnose unserer Zugeständnisse an die Normalität folgen. Zudem müssen wir lernen, uns vor den Anfechtungen des Lebens zu schützen. Ein vorsichtiges […] ist geboten, um unsere Empfänglichkeit gegen fremde Meinungen zu wappnen, desgleichen eine samtweiche Gleichmut, um unsere Seele gegen die dumpfen Schläge unserer Koexistenz mit anderen zu polstern.
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Mittels eines ästhetischen Quietismus des Lebens erreichen, daß Beleidigungen und Demütigungen, die das Leben und die Lebenden uns zufügen, nicht weiter als bis zur verächtlichen Peripherie der Sensibilität gelangen, zum fernen Äußeren der bewußten Seele.
Wir alle haben eine verachtenswerte Seite. Jeder von uns trägt ein Verbrechen in sich – ein schon begangenes oder eines, das seine Seele ihm abverlangt.
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26 . 1 . 1932
Ich frage mich beständig und versuche zu verstehen, wie andere Menschen existieren, wie es Seelen geben kann, die anders als die meine sind, wie es ein Bewußtsein geben kann, das dem meinen fremd ist, das, weil es Bewußtsein ist, mir das einzige Bewußtsein zu sein scheint. Ich verstehe wohl, daß der Mensch, der vor mir steht und zu mir in Worten spricht, als seien es die meinen, und gestikuliert, wie ich oder wie ich es tun könnte, in gewisser Weise meinesgleichen ist. Ebenso aber ergeht es mir mit Bildgestalten, die ich mir vorstelle, mit Romanfiguren und Personen, die durch Schauspieler verkörpert in einem Drama auf der Bühne zu mir sprechen.
Niemand, vermute ich, gesteht einem anderen Menschen wirklich wahre Existenz zu. Er mag einräumen, daß dieser Mensch lebendig ist, daß er fühlt und denkt wie er, aber es wird da immer ein namenloses Etwas des Unterschieds, eine materialisierte Benachteiligung bestehen. Es gibt Gestalten aus
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