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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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Transportunternehmen, besaß eine Reihe Landkarten, herausgerissen aus Zeitschriften oder da und dort erbeten, Illustrationen von Landschaften, Stiche exotischer Trachten, Bilder von Dampfern und Schiffen, ausgeschnitten aus Zeitungen und Magazinen. Er besuchte Reiseagenturen im Auftrag eines imaginären oder vielleicht auch wirklichen Unternehmens und erbat Reiseprospekte über Italien und Indien und Prospekte mit Schiffsverbindungen zwischen Portugal und Australien.
    Er war nicht nur der größte, weil authentischste Reisende, den ich je kannte, sondern auch einer der glücklichsten Menschen, denen mir je vergönnt war zu begegnen. Ich bedaure, daß ich nicht weiß, was aus ihm geworden ist, oder sagen wir, ich nehme an, ich sollte es bedauern, denn genaugenommen bedaure ich es nicht: Seit der kurzen Zeit, in der ich ihn kannte, sind zehn oder mehr Jahre vergangen, gewiß ist er inzwischen ein erwachsener Mann, abgestumpft und pflichtbewußt, verheiratet vielleicht, eine soziale Stütze für jemanden – ein Toter, der mitten im Leben steht. Vielleicht ist er sogar mit dem Körper gereist, er, der so wunderbar mit der Seele reisen konnte.
    Da fällt mir ein: er kannte sich genauestens aus mit den Bahnverbindungen zwischen Paris und Bukarest, wußte, mit welchen Zügen man durch England fuhr, und seine fehlerhafte Aussprache fremder Namen verriet die strahlende Gewißheit seiner großen Seele. Heute lebt er wahrscheinlich als toter Mann, vielleicht aber erinnert er sich auf seine alten Tage, daß es nicht nur besser, sondern auch wahrer ist, von Bordeaux zu träumen als in Bordeaux auszusteigen.
    Wer weiß, vielleicht war auch alles ganz anders: Vielleicht hat er nur jemanden nachgeahmt. Oder … ja, angesichts des erschreckenden Unterschieds zwischen der Intelligenz von Kindern und der Dummheit von Erwachsenen denke ich bisweilen, daß uns in der Kindheit ein Schutzgeist begleitet, der uns seine eigene Astral-Intelligenz borgt und uns später, vielleicht mit Bedauern, doch einem höheren Gesetz gehorchend – wie eine Tiermutter ihre herangewachsenen Jungen –, verläßt und unserem Schicksal anheimgibt: dem eines Mastschweins.

453
    Von der Terrasse dieses Kaffeehauses schaue ich verschwommen auf das Leben. Ich sehe nur wenig von seiner Vielfalt, dichtgedrängt hier auf diesem Platz, deutlich sichtbar und mein. Eine leichte Benommenheit, wie bei einem Glas zuviel, enthüllt mir die Seele von Dingen. Außerhalb von mir geht in den Schritten der Vorübergehenden und der gezügelten Heftigkeit ihrer Bewegungen sichtbar und einmütig das Leben dahin. In diesem Augenblick, in dem meine Sinne gelähmt sind und mir alles etwas anderes zu sein scheint und meine Wahrnehmungen falsch, verworren und klar, breite ich reglos meine Schwingen aus wie ein imaginärer Kondor.
    Und da ich ein Mann von Idealen bin, strebe ich vielleicht wirklich nicht mehr an, als hier zu sitzen, auf diesem Platz, an diesem Tisch, in diesem Kaffeehaus.

    Alles ist so vergeblich wie ein Herumstochern in Asche und so vage wie der Augenblick, bevor der Morgen graut.
    Und das Licht fällt so vollkommen und heiter auf die Dinge, vergoldet sie so prächtig mit traurig lächelnder Wirklichkeit! Das ganze Mysterium der Welt kommt herab zu mir, bis es vor meinen Augen Banalität und Straße wird.
    Wie sich doch Alltag und Geheimnis berühren in unserer unmittelbaren Nähe! Hier, an der lichten Oberfläche dieses vielschichtigen menschlichen Lebens, lächelt die Zeit ungewiß auf den Lippen des Mysteriums! Wie modern dies alles klingt! Und im Grunde so alt, so geheimnisvoll, mit einem so anderen Sinn behaftet als dem, der in all dem leuchtet!

454
    Die Zeitungslektüre ist immer eine unerquickliche Lektüre, nicht nur in ästhetischer, sondern oftmals auch in moralischer Hinsicht, selbst für jemanden, der sich nicht sonderlich um Moralität sorgt.
    Liest man, wie sich Kriege und Revolutionen auswirken – und immer ist das eine oder das andere im Gange –, befällt einen weniger Entsetzen als vielmehr Verdruß. Nicht nur das grausame Schicksal all der Toten und Verwundeten, nicht das Opfer all derer, die kämpfend oder kampflos sterben und gestorben sind, lastet hart auf der Seele, sondern mehr noch die Dummheit, die Leben und Besitz etwas unvermeidbar Nutzlosem opfern. Alle Ideale und alles Machtstreben sind nichts als weibische Männerphantasien. Kein Imperium ist es wert, daß um seinetwillen die Puppe eines Kindes entzweigeht. Kein Ideal

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