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Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Das Buch der Unruhe des Hilfsbuchhalters Bernardo Soares: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Zenith , Fernando Pessoa
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denn sie kann des Besitzes nie müde werden. Meine Hand legt sich leicht auf das Haar derer, die denken, und sie vergessen; meine Brust ist denen Stütze, die vergeblich hoffen, und sie schöpfen endlich Vertrauen.«
    »Die Liebe zu mir kennt keine verzehrende Leidenschaft, keine rasende Eifersucht, kein trübendes Vergessen. Mich lieben ist wie eine Sommernacht, wenn die Bettler unter freiem Himmel schlafen wie Steine am Wegesrand. Über meine stummen Lippen kommt kein Sirenengesang und kein Wohlklang von Bäumen und Quellen; doch mein Schweigen heißt willkommen wie eine unbestimmte Musik, und meine Ruhe ist wohltuend wie die Wahrnehmung eines sanften Windes.«
    »Was also«, fragte er, »bindet dich an das Leben? Die Liebe sucht dich nicht, der Ruhm fragt nicht nach dir, die Macht weiß nicht, wo du bist. Das Haus, das man dir vererbte, war eine Ruine. Das Land, das man dir überließ, verlor seine erste Frucht an den Frost und seine Verheißung an die Sonnenglut. Der Brunnen auf deinem Gut war stets trocken. Und noch bevor du sie sahst, verfaulten die Blätter in deinen Teichen; Unkraut bedeckte die Alleen und Wege, die deine Füße nie betraten.«
    »In meinem Reich aber, in dem die Nacht Königin ist, wirst du Trost finden, denn es gibt dort keine Hoffnung und kein Vergessen, denn es herrscht dort kein Verlangen; du wirst Ruhe finden, denn dein Leben liegt hinter dir.«
    Und er zeigte mir, wie fruchtlos die Hoffnung auf bessere Tage war, kannte eines Menschen Seele nicht schon von Geburt an gute Tage. Er zeigte mir, wie wenig Traum Trost ist, denn kaum ist man aus ihm erwacht, schmerzt das Leben um so mehr. Er zeigte mir, wie wenig Schlaf Ruhe ist, denn Trugbilder bewohnen ihn, Schatten von Dingen, Spuren unseres Handelns, totgeborene Wünsche, Treibgut vom Schiffbruch des Lebens.
    Und solches sagend, legte er langsam, langsamer denn je, seine Teppiche zusammen, die meine Augen versuchten, seine Seide, die meine Seele begehrte, den Damast seiner Altäre, benetzt schon von meinen Tränen.
    »Warum versuchen, wie die anderen zu sein, wenn du verdammt bist, du selbst zu sein? Warum lachen, wenn deine aufrichtige Freude falsch ist, denn sie kommt aus deinem Selbstvergessen? Wozu weinen, wenn du spürst, daß weinen unnütz ist, und du weinst, nicht weil deine Tränen dich trösten, sondern sie dich nicht trösten?«
    »Bist du glücklich, wenn du lachst, ist dein Lachen mein Sieg; bist du glücklich, weil du vergessen hast, wer du bist, wie glücklich dann erst wirst du dort mit mir sein, wo du alles vergessen hast? Findest du wirkliche Ruhe nur im traumlosen Schlaf, welche Ruhe erst wirst du finden in meinem Bett, in dem aller Schlaf traumlos ist! Erhebst du dich bisweilen, weil du Schönheit siehst und dich und das Leben vergißt, wie hoch hinaus erst wirst du dich in meinem Palast erheben, dessen nächtliche Schönheit keinen Mißklang kennt, kein Alter und keinen Verfall; in meinen Gemächern, in denen kein Wind in die Vorhänge fährt, kein Staub sich über die Sessel legt, kein Licht Samt und Polster bleicht und keine Zeit das leere Weiß der Wände gilbt!«
    »Komm in meine Zärtlichkeit, die unverbrüchliche; in meine Liebe, die immerwährende! Trink aus meinem Kelch, dem immervollen, jenen erlesenen Nektar, der weder müde noch trunken macht. Und betrachte vom Fenster meines Schlosses nicht Mondschein und Meer, die schön und daher unvollkommen sind, sondern die weite, mütterliche Nacht, den ungeteilten Glanz des tiefen Abgrunds!
    In meinen Armen wirst du den Schmerzensweg vergessen, der dich zu ihnen führte. An meiner Brust wird die Liebe vergehen, die dich sie hat suchen lassen! Komm an meine Seite, nimm Platz auf meinem Thron, und sei auf ewig Herrscher über das Mysterium, Hüter des Grals, unentthronbar sollst du bestehen neben Göttern und Schicksal, im Nichts-Sein, ohne Diesseits und ohne Jenseits, ohne Mangel und ohne Überfluß, nichts wirst du brauchen.«
    »Ich werde dein väterlicher Gefährte [81]   sein, dein wiedergefundener Zwillingsbruder. Und sind mir all deine Ängste verbunden, und ist alles, wonach du vergeblich in dir suchtest, mir anvertraut, wirst du selbst dich in meinem mystischen Wesen verlieren, in meiner geleugneten Existenz, an meiner Brust, an der die Dinge verlöschen, die Seelen versinken und selbst die Götter vergehen.«

    O König der Loslösung und des Verzichts, Herrscher des Todes und des Scheiterns, lebender Traum, strahlender Wanderer zwischen der Welt Ruinen

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