Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
Silberkelch erholt und streift jetzt nicht durch London, um Vampire zu jagen?«
Max zog eine Grimasse, was vermutlich die Reaktion auf den
großen Schluck Whisky war, den er sich gerade genehmigt hatte. »Er hat mich am Tag nach dem Vorfall besucht. Habe ich Ihnen das nicht erzählt?«
»Nein.«
»Er wollte wissen, warum ich das salvi in seinen Drink getan habe. Er war recht... erregt. Es wäre beinahe zu einem Faustkampf gekommen. Aus irgendeinem Grund schien er der Auffassung zu sein, dass ich Victoria dazu überredet hatte, mich in den Silberkelch zu begleiten. Brabbelte ständig irgendetwas von Schicksal, und nach dem, was ich herausfiltern konnte, musste er gerade von ihr gekommen sein. Er gab mir zu verstehen, dass sie die Hochzeit absagen würden. Deshalb war ich doch recht überrascht, das hier zu erhalten.«
Eustacia wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Sie hob die Brauen, in der Hoffnung, dass er fortfahren würde. Als er das nicht tat, sondern stattdessen mit düsterer Miene die anstößige Einladung anstarrte, fragte sie: »Was hast du ihm gesagt? Wegen des salvi? «
»Ich sagte ihm die Wahrheit - dass es zu seinem Schutz geschah. Dass er völlig ahnungslos in ein Vipernnest getappt war und der einzige Ausweg, ihn dort mit heiler Haut herauszuholen, darin bestand, ihn zu betäuben. Leider ist der Plan nicht aufgegangen.«
Die Tatsache, dass er sich von einem Nicht-Venator hatte übertölpeln lassen, war vermutlich der Hauptgrund, warum ihm das Ganze wie ein Stein im Magen lag.
»Falls er ihr noch einmal folgen sollte, könnte er uns alle in Gefahr bringen.«
Das war wahr. Nur zu wahr. »Victoria wird einen Weg finden
müssen, das zu verhindern. Ich bin überzeugt, dass es ihr gelingen wird.«
Eustacia betete, dass sie Recht behalten würde.
»Natürlich muss es ausgerechnet heute regnen«, wisperte Melly Winnie zu, während sie beobachtete, wie ihre wunderschöne Tochter mit dem Fang der Saison den heiligen Bund der Ehe schloss. »Zwei Wochen Sonnenschein, aber gerade heute muss es bewölkt sein!« Ihrer Verärgerung zum Trotz warf sie einen befriedigten Blick über ihre Schulter, um sich an den Mienen einiger anderer Mütter zu ergötzen, die als Kupplerinnen nicht ganz so erfolgreich gewesen waren. Und heute wurde der Coup besiegelt!
In der Tat wurde dieser Tag, an dem der Marquis von Rockley sich vermählte, von einem weichen, warmen Sommerregen begleitet. Der Himmel war mit perlgrauen Wolken überzogen, und der stetige Niederschlag würzte die Luft mit den Aromen von Torf und Sommerblumen. Die durchnässten Gäste drängten sich außerhalb der Kapelle unter hastig errichteten Zelten, und mehr als nur eine Brille war inzwischen beschlagen oder angelaufen. Auch Mellys Lorgnette war feucht, aber das kam von ihren Freudentränen, nicht vom Regen.
»Das Nieseln stört sie nicht«, flüsterte Winnie zurück. »Ich habe Victoria noch nie so schön gesehen und so glücklich.« Sie betupfte ihre Augen, dann schnäuzte sie sich bullengleich in ihr Spitzentaschentuch.
Melly hatte ihrer Tochter in St. Heath’s Row geholfen, das Brautkleid anzuziehen. Es bestand aus einem duftigen, gelben Seidenunterrock, über dem sie eine Robe aus filigraner, weißer
Spitze trug. Das zarte Gewebe war mit Staubperlen, Satinschleifen und Salzwasserperlen bestickt, die dem Kleid einen sanften Schimmer verliehen. Madame LeClaire hatte sich wirklich selbst übertroffen!
Victorias Zofe hatte ihr nur die oberste Lockenschicht hochgesteckt, sodass der Rest in ungebändigter Pracht über ihren Rücken und ihre Schultern fiel. Melly hatte Verbena strengstens untersagt, diese albernen Stäbe in die Brautcoiffure einzuarbeiten, deshalb waren weitere Perlen und sogar eisweiße Diamanten in die Korkenzieherlocken eingewoben. Andere bildeten ein Netz um ihre aufgesteckten Locken und hielten sie einer Krone gleich an ihrem Hinterkopf.
Kurz nachdem der schlimmste Schauer nachgelassen hatte, war Victoria den Gang der kleinen Steinkapelle in St. Heath’s Row hinuntergeschritten, in den Händen einen Strauß aus Maiglöckchen und gelben Rosen. Um die Stängel war Efeu geschlungen, der bis zu ihren Füßen hinabfiel.
Auch der Marquis sah prächtig aus in seinem taubengrauen Frack und der tintenschwarzen Hose. Seine Stiefel schimmerten wie Pech, und seine Weste war von einem tiefen Bordeauxrot mit einem grau-schwarzen Paisleymuster. Das gediegene Halstuch, das Rockley farblich auf die Weste abgestimmt hatte, war perfekt
Weitere Kostenlose Bücher